Anfrage: Radiocäsiumbelastung von Schwarz- und Rehwild

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hans Urban (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 18.06.2021

1.a) Welche Gebiete in Bayern sind aufgrund wiederkehrender erhöhter Belastung mit Radiocäsium (Cs-137) als „Risikogebiete“ (belastete Fallout-Gebiete/Kontaminierungsregionen) eingestuft?
Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) hat dazu entsprechendes Kartenmaterial veröffentlicht: https://www.umweltanalysen.com/boden/caesium-137-bodenbelastung-und-vertikale-migration/ .
1.b) Von welchen Faktoren hängt die Belastung von Wildfleisch mit Radiocäsium ab?
Im Waldökosystem ist der Cäsium-137-Kreislauf, der dazu führt, dass Radiocäsium entsprechend seiner Halbwertszeit weiterhin in Wildfleisch und auch in Wildpilzen zu finden sein wird, von verschiedenen Faktoren abhängig, wie z. B.:

  • Höhe der Bodenkontamination und Bodenbeschaffenheit
  • Wildart und deren Nahrungsaufnahme

1.c) Warum ist Rehwild deutlich geringer belastet als Schwarzwild?
Beim Wildschwein erfolgt die Nahrungsaufnahme von Pilzen in großen Mengen, vor allem auch unterirdisch wachsenden Pilzen, in denen speziesbedingt Radiocäsium angereichert sein kann. Beim Rehwild erfolgt die Nahrungsaufnahme fast ausschließlich oberirdisch.a) Wie ist üblicherweise die Verteilung der Radiocäsiumbelastung im Jahresverlauf bei Schwarz- und Rehwild?
Die vorliegenden Daten erlauben keinen Rückschluss auf die Verteilung im Jahres-verlauf bei Schwarz- und Rehwild.

2.a) Wie ist üblicherweise die Verteilung der Radiocäsiumbelastung im Jahresverlauf bei Schwarz- und Rehwild?
Die vorliegenden Daten erlauben keinen Rückschluss auf die Verteilung im Jahresverlauf bei Schwarz- und Rehwild.
2.b) Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
Siehe Antwort zu Frage 2. a).

3.a) Wie hat sich in Bayern die Belastung von Wildschweinen mit Radiocäsium im Zeitraum 2011-2020 entwickelt (bitte Minimum, Maximum und Mittelwert für jedes Jahr angeben)?
Nach Auskunft des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erheben die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) für die in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden „Qualifizierten Wildbretmessstellen“ jährlich nach Ablauf des Jagdjahres zentralisiert die Radiocäsium-Messergebnisse der einzelnen Forstbetriebe. Die Daten werden hinsichtlich ihrer lebensmittelrechtlichen Unbedenklichkeit klassifiziert (<300 Bq/kg, 300-600 Bq/kg, >600 Bq/kg), wobei die mittlere Klasse eine „Vorwarnstufe“ im internen Monitoring darstellt. Durch die Zuordnung zu Klassen liegen den BaySF keine bayernweiten Minima, Maxima oder Mittelwerte vor. Die nachfolgende Tabelle gibt jedoch einen Überblick über den Verlauf der Grenzwertüberschreitungen bei Schwarzwild für die Jagdjahre 2011 bis 2020.

Daten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) aus amtlichen Proben bei Wildschweinfleisch aus dem Groß- bzw. Einzelhandel, Gaststätten, Direktvermarktern und Metzgereien sind in der folgenden Tabelle zu entnehmen.

3.b) Zu wie vielen Grenzwertüberschreitungen bei Wildschweinfleisch kam es im Zeitraum 2011 bis 2020 (gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 733/2008, geändert durch die Verordnung (EG) 1048/2009, gilt der EU-Grenzwert von 600 Bq/kg)?
Zu Grenzwertüberschreitungen bei Schwarzwild, welches nicht vermarktet wird, bei den Bayerischen Staatsforsten – siehe Tabelle 1.
Die Anzahl der Grenzwertüberschreitungen von Wildschweinfleisch aus dem Handel im Zeitraum 2011 bis 2020 ist der folgenden Tabelle zu entnehmen.

3.c) Wie hoch waren die gemessenen Werte in den entsprechenden Landkreisen?
Nach Auskunft des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten handelt es sich bei den Ergebnissen der Messstellen der Bayerischen Staatsforsten um eine Zusammenstellung auf Ebene der Forstbetriebe.
Die Messungen in amtlichen Proben aus dem Handel stellen keine landkreisspezifische Erhebung dar.

4.a) Welche rechtlichen Vorgaben gibt es für eine Kontrolle von Rehwild auf radioaktive Belastung?
Nach Artikel 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/1158 liegt der Grenzwert von Radiocäsium für alle Lebensmittel (außer Milch und Milcherzeugnisse sowie Nahrungsmittel für Säuglinge und Kleinkinder) bei 600 Bq/kg. Dieser Höchstwert gilt bei der Einfuhr von Erzeugnissen in die Union. Nach der immer noch geltenden Emp-fehlung Nr. 2003/274/EG haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, dieselben Höchstwerte beim Handel innerhalb der Gemeinschaft anzuwenden, die zum damaligen Zeitpunkt in der Verordnung (EWG) Nr. 737/90 festgelegt waren. Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/1158 ist die derzeit gültige Nachfolge-Verordnung zur Verordnung (EWG) Nr. 737/90.
Gemäß Art. 14 Abs. 2 Buchstabe b und Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gelten Lebensmittel als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie für den Verzehr durch den Menschen in Folge einer durch Fremdstoffe bewirkten Kontamination inakzeptabel geworden sind. In diesen Fällen dürfen Lebensmittel gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nicht in den Verkehr gebracht werden.
Für Jäger als Inverkehrbringer bzw. als Lebensmittelunternehmer gilt maßgeblich die Verordnung (EG) Nr. 178/2002, welche die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts festlegt, insbesondere die Eigenverantwortung der Lebensmittelunternehmer. In Bayern haben Jäger die Möglichkeit, Wildbret auf radioaktive Belastung über Qualifizierte Wildbretmessstellen untersuchen zu lassen.

4.b) Gibt es analog dem Vorgehen bei Schwarzwild auch ein flächendeckendes Netz an Messstationen für Rehwild?
Nach Auskunft des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird das flächendeckende Netz an Wildbretmessstellen bei den Bayerischen Staatsforsten sowohl für Schwarzwild als auch für Rehwild genutzt.
4.c) Wie viele Rehwild-Proben wurden im Zeitraum 2011-2020 ausgewertet (bitte nach Landkreisen aufschlüsseln)?
Siehe Antworten zu Fragen 3. c) und 5. a).

5.a) Wie hat sich in Bayern die Belastung von Rehfleisch mit Radiocäsium im Zeitraum 2011-2020 entwickelt (bitte Minimum, Maximum und Mittelwert für jedes Jahr angeben)?
Die Daten der Bayerischen Staatsforsten zu Rehwild sind in der folgenden Tabelle dargestellt (siehe auch Antwort zu Frage 3. a).

Die Daten des LGL zu Radiocäsium in Rehfleischproben aus dem Handel sind in der folgenden Tabelle dargestellt.

5.b) Zu wie vielen Grenzwertüberschreitungen bei Rehfleisch kam es im Zeitraum 2011 bis 2020 (gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 733/2008, geändert durch die Verordnung (EG) 1048/2009, gilt der EU-Grenzwert von 600 Bq/kg)?
Zu Grenzwertüberschreitungen von Rehwild, welches nicht vermarktet wird, bei den Bayerischen Staatsforsten – siehe Tabelle 4.
Die Anzahl der Grenzwertüberschreitungen von Rehfleisch aus dem Handel im Zeit-raum 2011 bis 2020 ist der folgenden Tabelle zu entnehmen.

5.c) Wenn ja, wie hoch waren die gemessenen Werte in den entsprechenden Landkreisen?
Siehe Antwort zu Frage 3. c).

6. Sofern Grenzwertüberschreitungen im Zeitraum 2011-2020 bei Rehwild festge-stellt wurden, wie erklärt sich das STMELF diese Erhöhung?
Nach Auskunft des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten lässt sich bei den gemessenen Werten der Bayerischen Staatsforsten in den letzten 10 Jahren beim Rehwild keine Erhöhung der Grenzwertüberschreitungen feststellen.

7.a) Gab es im Zeitraum 2017-2020 unerwartete Abweichungen/Veränderungen zur bisher üblichen saisonalen Verteilung der Cäsiumbelastung bei Schwarz- und Rehwild?
Das LGL hat in amtlichen Untersuchungen im angegebenen Zeitraum keine entsprechenden Abweichungen bzw. Verschiebungen festgestellt.
7.b) In welchen Monaten wurden (deutlich) erhöhte Radiocäsiumwerte festgestellt (bitte für jedes Jahr angeben und betroffene Landkreise nennen)?
Siehe Antwort zu Frage 7. a).
7.c) Wie erklärst sich das STMELF die Verschiebung hoher Belastung in andere als bisher übliche Zeiträume/Monate?
Siehe Antwort zu Frage 7. a).

8. Welche Forschungsarbeiten laufen in Bayern derzeit bzw. sind angedacht, die sich mit der Radiocäsiumbelastung von Wildtieren befassen?
Derzeit werden keine entsprechenden Forschungsvorhaben durchgeführt oder sind geplant.