Anfrage: Inanspruchnahme von Staatswaldflächen

Schriftliche Anfrage der Herrn Abgeordneten Christian Hierneis, Hans Urban und Patrick Friedl vom 14.01.2021 betreffend „Inanspruchnahme von Staatswaldflächen“ + Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 04..03.2021:

1.1.) Welche Verkäufe von Staatswaldflächen gab es in Bayern seit 1.1.2015 (bitte Auflistung nach Landkreis, Kommune, Gemarkung, Forstbetrieb, Forstrevier, Distriktname und -nummer, Flächengröße, durchschnittliches Bestandsalter, Holzvorrat, Schutzstatus der Fläche)?
1.2. )Welche Verkäufe von Staatswaldflächen gab es in Bayern seit 01.01.2015 für jedwede Art von Bau- und Straßenbauvorhaben (bitte Auflistung nach Landkreis, Kommune, Gemarkung, Forstbetrieb, Forstrevier, Distriktname und -nummer, Flächengröße, durchschnittliches Bestandsalter, Holzvorrat, Schutzstatus der Fläche)?

Die Fragen 1.1. und 1.2. werden gemeinsam beantwortet.
Mit Blick auf die Einhaltung der vorgegebenen Antwortfristen und Begrenzung des Aufwandes auf ein vertretbares Maß, konnten für die Beantwortung der Fragen nur Flächen mit einer Größe von mehr als 0,3 ha näher ausgewertet werden. Außerdem wurde die Auswertung auf Staatswaldflächen beschränkt, die von den Bayerischen Staatsforsten (BaySF) bewirtschaftet wurden. Nicht bewaldete Flächen des von den BaySF bewirtschafteten Forstvermögens wurden nicht einbezogen.

In den Geschäftsjahren 2016 bis 2020 (01.07.2015 bis 30.06.2020) wurden Staatswaldflächen im Umfang von insgesamt rd. 126 ha verkauft, die Einzelheiten können der anliegenden Tabelle entnommen werden. Soweit die Verkäufe mit Bauvorhaben verbunden sind, ist die Art der baulichen Nutzung (z. B. Straßenbau) in der Spalte „Verkaufszweck“ genannt. Angaben zu Schutzstatus werden in der Verkaufsstatistik für die Schutzgebietskategorien Bannwald, Erholungswald, Naturwaldreservat, Naturschutzgebiet und Wasserschutzgebiet (Zone I) erfasst, wenn sich das betroffene Schutzgebiet vollständig oder weit überwiegend im Eigentum des Freistaates Bayern befindet (Spalte „Schutzstatus“). Die zusätzlich zu den in der Tabelle enthaltenen Daten gewünschten Angaben zu Landkreis, Kommune, Forstrevier, Distriktname und -nummer, Bestandsalter und Holzvorrat werden in der Statistik der BaySF nicht erfasst. Eine nachträgliche Erfassung dieser Daten ist nicht mehr möglich.
Der Verkauf von Staatswaldflächen für Straßenbau, Geh- und Radwege erfolgt nach der geltenden Zuständigkeitsregelung durch die BaySF selbst, die Veräußerung von Flächen für Bauvorhaben (Industrie, Gewerbe, Wohnungsbau) wird durch die Immobilien Freistaat Bayern (IMBY) vorgenommen. Für diese Zwecke vorgesehene Staatswaldflächen werden von der BaySF zur Verwertung durch die IMBY freigegeben, sofern die geplanten Bauvorhaben planungsrechtlich zulässig und die betroffenen Flächen betrieblich entbehrlich sind.
Gemäß Art. 81 der Bayerischen Verfassung i.V.m. Art. 63 Abs. 3 Satz 1 Bayerische Haushaltsordnung (BayHO) und VV Nr. 1.2 Satz 3 zu Art. 63 BayHO sowie Nr. 1.3.1 der Richtlinien für den Verkehr mit staatseigenen Grundstücken sind entbehrliche, staatseigene Grundstücke grundsätzlich öffentlich auszuschreiben und immer zum vollen Wert zu veräußern/zu vergeben. Gemäß Nr. 1.2.1 der Richtlinien für den Verkehr mit staatseigenen Grundstücken kann an eine Gebietskörperschaft ein Freihandverkauf stattfinden, wenn diese das zu veräußernde Grundstück zur Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben gemäß den Vorschriften der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung, der Bezirksordnung bzw. von Bundesvorschriften benötigt. An eine Gemeinde ist ein Freihandverkauf auch dann möglich, wenn die Gemeinde das zu veräußernde Grundstück für Gewerbe- oder Industrieansiedlungen benötigt. Die Verwertung entbehrlicher Grundstücke aus Staatsforstflächen im Wege eines Freihandverkaufs (Kaufpreis ab 100.000 Euro) wird vorbehaltlich der Zustimmung des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen durch die Immobilien Freistaat Bayern durchgeführt.

2.) Welche durch Nutzungsänderung (z.B. Rohstoffabbau, Leitungsbau, etc.) bedingten Waldbestandsverluste (z.B. Kahlschläge etc.) auf Staatswaldflächen gab es in Bayern seit 01.01.2015 (bitte Auflistung nach Landkreis, Kommune, Gemarkung, Forstbetrieb, Forstrevier, Distriktname und -nummer, Flächengröße, durchschnittliches Bestandsalter, Holzvorrat, Schutzstatus der Fläche)?
Die für Rohstoffabbau, Leitungsbau etc. genutzten Flächen werden nicht verkauft. Ihre Nutzung wird üblicherweise vertraglich geregelt. Das Vertragsmanagementsystem der BaySF erfasst keine Nutzungsänderungen von Waldflächen. Die Beantwortung der Frage ist aufgrund des unverhältnismäßig hohen Aufwandes für eine einzelvertragsweise Identifikation der Waldbestandsverluste nicht möglich.

3.) Für welche Zwecke wurden die unter 1. und 2. genannten ehemaligen Waldflächen jeweils verkauft bzw. gerodet (bitte differenzieren nach z.B. gewerbliches Baugebiet, Wohnbaugebiet, Sonderbaugebiet, Straßenbau, Leitungsbau, Rohstoffabbau, Deponie und anderes – bitte aufzählen)?
Die künftig vorgesehene Nutzung für die verkauften Flächen ist in der anliegenden Tabelle in der Spalte „Verkaufszweck“ genannt. Soweit beim Verkaufszweck „Wald“ genannt ist, handelt es sich um Splitterbesitz oder für die Bewirtschaftung ungünstig ausgeformte Flächen. Bei diesen Flächen ist davon auszugehen, dass der auf den Verkaufsflächen vorhandene Wald dauerhaft erhalten bleibt. Für die in Frage 2. angesprochenen Flächen können mangels Auswertungsmöglichkeit keine Angaben gemacht werden (s. auch Antwort zu Frage 2.).

4.1.) Wie hoch war für die unter 1. und 2. genannten ehemaligen Waldflächen jeweils der Kohlenstoffvorrat für Biomasse nach Daten der 3. Bundeswalinventur bzw. nach regionalen Bayerndaten der 3. Bundeswaldinventur einzuschätzen?
4.2.) Wie wirkten sich die Nutzungsänderungen auf den unter 1. und 2. genannten ehemaligen Waldflächen auf den Kohlenstoffvorrat auf der jeweiligen Fläche aus (oberirdische Biomasse und Biomasse Im Boden)?
Die Fragen 4.1. und 4.2. werden gemeinsam beantwortet.
Die Stichprobengröße der Daten aus der Bundeswaldinventur erlaubt keine Einschätzung der Kohlenstoffvorräte für einzelne Waldflächen.

5.1.) Für welche der unter 1. und 2. genannten ehemaligen Waldflächen erhielten die Bayerischen Staatsforsten eine genauso große Ersatzwaldfläche mit gleichwertiger Bestockung?
Im Hinblick auf den gesetzlichen Auftrag der BaySF, das Forstvermögen in seiner Substanz und seiner Fähigkeit zur Erfüllung seiner vielfältigen Funktionen zu erhalten, fordern die BaySF seit 2015 von Vorhabenträgern, die Staatswaldflächen für höherwertige Nutzungszwecke (Gewerbe/Industrie/ Wohnbau) in Anspruch nehmen, die Bereitstellung adäquater Ersatzflächen zum Erwerb für das Forstvermögen. Die Ersatzflächenbereitstellungen sind in der anliegenden Tabelle aufgeführt. Soweit in einzelnen Fällen keine Ersatzflächenbereitstellung erfolgt ist, ist das auf eine Zustimmung zur Flächenfreigabe vor Einführung der Ersatzlandforderung zurückzuführen.
Der Bau von Straßen ist grundsätzlich den enteignungsbegünstigten Flächeninanspruchnahmen zuzurechnen. Nachdem eine Entschädigung in Geld im Enteignungsrecht den Regelfall darstellt, verzichtet die BaySF in diesen Fäl-len auch auf die Bereitstellung von Ersatzflächen. Ersatzflächen werden in diesen Fällen von der BaySF eigenständig ausfindig gemacht und erworben.

Die in Frage 2 angesprochenen Flächeninanspruchnahmen werden in aller Regel über Verträge ohne Eigentumswechsel abgebildet, so dass hier eine Eratzflächenbereitstellung nicht erforderlich ist.Unabhängig von den in der Tabelle genannten Ersatzflächen sind die BaySF mit den zur Verfügung stehenden Grundstockmitteln am Grundstücksmarkt tätig. Die Flächenbilanz seit Gründung der BaySF bis zum Geschäftsjahr 2020 aus Ankauf (inklusive Übertragung von Flächen von anderen Verwal-tungen), Tausch und Verkauf (inklusive Übertragung von Flächen an andere Verwaltungen) ist mit + 1.175 ha positiv. Eine nachträgliche Aufteilung die-ser Flächen in Wald und nicht bestockte Flächen ist nicht mit vertretbarem Aufwand möglich.
5.2.) Für welche der unter 1. und 2. genannten ehemaligen Waldflächen wurden Ersatzaufforstungen durchgeführt und mit jeweils welcher Flächengröße?
Die Festlegung von Ersatzaufforstungen i. V. m. Waldrodungen (Änderungen der Bodennutzungsart) ist Bestandteil der erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren. Die Pflicht zur etwaigen Ersatzaufforstung trifft den Vorhabensträger und ist zeitlich und inhaltlich weitgehend unabhängig vom Grundverkehr, d. h. zum Beispiel dem Ausscheiden der Flächen aus dem Staatseigentum. Eine unmittelbare Zuordnung von Ersatzaufforstungen zu den unter Frage 1 und 2 aufgeführten vormals staatlichen Flächen ist insoweit von Seiten des StMELF nicht möglich.
Allgemeine Angaben zum Verhältnis von Rodungen und Erstaufforstungen auf Grundlage behördlicher Genehmigungen in Bayern finden sich unter https://www.stmelf.bayern.de/wald/forstpolitik/wald-in-zahlen/ .

6.) Wie hoch ist der Kohlenstoffvorrat im Durchschnitt im Waldboden für Bayern pro Hektar (bitte differenzieren für die einzelnen Regionen sowie für die Hauptbaumarten Fichte, Kiefer, Buche, Eiche)?
Nach den Daten der zweiten Bodenzustandserhebung im Wald (BZE II) aus den Jahren 2006-2008 beträgt der Vorrat an organischem Kohlenstoff in den Waldböden Bayerns bis maximal 150 cm Tiefe durchschnittlich 140 t/ha (Stichprobenfehler 4%).
Eine regionale sowie eine Aufteilung nach den genannten Baumarten liegt nicht vor. Lokale Unterschiede der Kohlenstoffvorräte hängen neben Baumartenzusammensetzung und Holzvorrat vor allem von unterschiedlichen Faktoren wie Bodentyp, Lage im Gelände, historischer Nutzung, Klima und Wuchsbedingungen ab.

7.1.) In welcher Weise sollen die Staatswaldflächen für die Vorbildfunktion des Staates bis 2030 (gemäß Art. 3 BayKlimaG) einbezogen werden?
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Bayer. Klimaschutzgesetz werden staatliche Grundstücke, insbesondere Wald- und Moorflächen sowie Gewässer in staatlicher Unterhaltslast, in Übereinstimmung mit den Zielen dieses Gesetzes bewirtschaftet. Die multifunktionale vorbildliche Bewirtschaftung des Staatswalds (Art. 18 BayWaldG) mit seinen Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen und die Umsetzung der Maßnahmen des Klimaschutzpakets (u.a. Ausrichtung als Klimawald, Waldumbau) stellen bereits heute ganz wesentliche Leistungen für Klimaschutz und Anpassung dar. Ob und welche künftigen weiteren Beiträge erbracht werden, steht noch nicht fest.
7.2.) In welcher Weise sollen die Staatswaldflächen für die Ermittlung der Klimaneutralität des Freistaats Bayern bis 2030 (gemäß Art. 3 BayKlimaG) einbezogen werden?
Die Kriterien und Mechanismen für die Kompensation der verbleibenden staatlichen Treibhausgas-Emissionen werden in den kommenden Monaten erst ausgearbeitet. Ob und in welcher Weise die Staatswaldflächen einbezogen werden, steht noch nicht fest.

8.1.) Welche (z. B. rechtlichen) Veränderungen wären nötig, um den planerischen Zugriff von Kommunen auf Staatswaldflächen zu verringern bzw. zu verhindern?
Etwaige Veränderungsansätze müssten berücksichtigen, dass das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden über Art. 28 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Art. 11 Abs. 2 S. 2 der Bayerischen Verfassung garantiert ist. Daraus leitet sich die Planungshoheit der Gemeinden für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich und im Rahmen der Gesetze ab. Die Bauleitplanung als Aufgabe der Gemeinden ist in § 1 Abs. 3 und § 2 Abs. 1 S. 1 des Baugesetzbuches rechtlich verankert.
Die Bauleitplanung muss im Rahmen der Gesetze erfolgen. Soweit entsprechende Planungen Waldflächen betreffen, sind zur Sicherung der Waldfunktionen insbesondere die Anforderungen der Art. 7 i.V.m. Art. 1 Bayerisches Waldgesetz zu beachten. Die Bauleitpläne müssen sich zudem den Zielen der Raumordnung anpassen. Ziele und Grundsätze der Raumordnung in Bayern werden im Landesentwicklungsprogramm festgelegt. Das Landesentwicklungsprogramm enthält Festlegungen zum schonenden Umgang mit Fläche. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das Ziel der „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“, das die vorrangige Nutzung von vorhandenen Flächenpotenzialen in den Siedlungsgebieten festlegt. Darüber hinaus stellt das sogenannte „Anbindegebot“ sicher, dass die Zersiedelung beschränkt wird. Die genannten Festlegungen des Landesentwicklungsprogramms dienen dem Flächensparen und damit dem Schutz wertvoller Wald- und Agrarflächen.
Mit der am 01.02.2021 in Kraft getretenen Änderung des Bayerischen Landesplanungsgesetzes wurde zudem eine Richtgröße von 5 ha pro Tag für die erstmalige planerische Inanspruchnahme von Freiflächen im Außenbereich für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis 2030 eingeführt.

8.2.) Welche Initiativen unternimmt die Staatsregierung diesbezüglich (Frage 8.1.)?
Im Rahmen der Flächensparoffensive der Bayerischen Staatsregierung werden ressortübergreifend vielfältige Maßnahmen zur Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme ergriffen.
Neben der in Antwort zu Frage 8.1. genannten Richtgröße für die Flächen-neuinanspruchnahme, dem Einsatz von Flächensparmanagern bei den Regierungen und dem Ausbau der Förderprogramme mit Schwerpunkt auf dem Thema „Flächensparen“ wurde u.a. eine Auslegungshilfe zum standardisierten Bedarfsnachweis für neue Siedlungsflächen von Seiten des Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie herausgegeben.
Zudem ist das Flächensparen ein zentraler Themenbereich bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms und es gibt zahlreiche Informations- und Sensibilisierungsangebote für die Gemeinden (Regionalkonferen-zen, Newsletter, Broschüren, digitale Informationsangebote, etc.). Die Flächensparoffensive und die damit verbundenen Maßnahmen werden laufend weiterentwickelt, um wertvolle Wald- und Landwirtschaftsflächen auch wei-terhin effektiv zu schützen.