
Das Vertragsnaturschutzprogramm Wald (VNP Wald) ist seit Jahren inhaltlich ein ziemlich gutes Naturschutz- und Artenschutzprogramm, unterstützt es doch zahlreiche Maßnahmen von hohem naturschutzfachlichem Wert für Biodiversität und Artenvielfalt integrativ, also auf der ansonsten bewirtschaften Waldfläche. Und das mit weitgehend geringem zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Waldbesitzenden. Dennoch verlief die Umsetzung, trotz jährlich steigender Zahlen, in Summe eher schleppend. Nur auf etwa 1% der bayerischen Waldflächen laufen derzeit VNP-Maßnahmen, das ist deutlich ausbaufähig.
Auf dieses bestehende Problem haben wir die Staatsregierung bereits mehrmals hingewiesen, unter anderem im Rahmen der Runden Tische zum Volksbegehren Artenschutz oder auch anlässlich unseres Waldantragspakets im Juni 2020, in dem wir neben höheren Fördersätzen und inhaltlichen Ergänzungen, auch die Aufhebung der Gebietskulisse als Fördervoraussetzung gefordert hatten. Diese Beschränkung auf bestimmte Flächen innerhalb des Privat- und Körperschaftswaldes wird von den beteiligten Akteur*innen häufig als Hauptgrund für die mangelnde Umsetzung genannt. Alle Anträge wurden damals abgelehnt.
Umso erfreuter waren wir, als wir in der Antwort der Staatsregierung zu unserer schriftlichen Anfrage vom Dezember 2020 lesen durften: „(…) die bisherige Nr. 4.2 der Richtlinie (Gebietskulisse) wurde gestrichen.“ Endlich weniger hinderliche (Verwaltungs-)Kulisse und mehr umsetzbarer Natur- und Artenschutz in der Fläche mit dem positiven Nebeneffekt einer zusätzlichen Einnahmequelle für die kalamitätsgebeutelten Waldbesitzenden – ein Erfolg! Die neue Richtline sollte laut Schreiben bereits im Januar 2021 in Kraft treten.
Am 18.01.21 stellte Umweltminister Glauber (Freie Wähler) nun tatsächlich die neue Richtlinie mittels einer kurzen Pressemitteilung vor. Tatsächlich fehlt der bisherige Punkt „4.2 Gebietskulisse“. Allerdings tauchen dieselben notwendigen Gebietsvoraussetzungen (Natura 2000 Flächen, Naturschutzgebiete, Biosphärenreservate etc.) für eine finanzielle Förderung im neuen Text einfach an anderer Stelle wieder unter Punkt „2. Gegenstand der Förderung“ auf. Die Gebietskulisse besteht faktisch also immer noch, nur der negativ behaftete Begriff wird umgangen, was für eine WortGLAUBEREI! Außerdem ist eine Förderung in Landschaftsschutzgebieten, die mit 902.562 ha den größten Anteil an der Kulisse hatten, nun nicht mehr möglich.
Immerhin: der Wille der Staatsregierung, das Programm für mehr Waldbesitzende auf breiterer Fläche, schutzgebietsunabhängig, zugänglich zu machen, ist zu erkennen. Eine Förderung ist jetzt auch auf „Störungsflächen mit hoher Strukturvielfalt und entsprechendem Anteil standortheimischen Baumarten“ und auf „Flächen, wenn dies aus artenschutzrechtlichen Gründen gerechtfertigt ist,“ möglich. Dies sind inhaltlich sinnvolle Ergänzungen, sind doch aufgrund der wiederkehrenden Kalamitäten der letzten Jahre (Borkenkäfer, Sturm, etc.) viele kleinere und größere Lücken, also Störungsflächen, entstanden. Gerade der zweite Punkt der zweite Punkt eröffnet prinzipiell zahlreiche neue Möglichkeiten für Naturschutzmaßnahmen im gesamten Privat- und Kommunalwald.
Allerdings scheint momentan nicht klar zu sein, welche Behörde zukünftig bei der Beurteilung dieser Flächen konkret welche Aufgaben übernimmt und nach welchen objektiven Kriterien die ÄELF und UNB die Eignung oder Nicht-Eignung einer Fläche begründen müssen. Die Veröffentlichung der notwendigen Vollzugshinweise lässt jedenfalls noch auf sich warten. Damit die neuen Möglichkeiten der Richtline erschlossen werden können, braucht es aber schleunigst praktikable Vollzugshinweise, die ohne sich in Restriktionen zu verlieren anerkennen, dass alle definierten Fördermaßnahmen per se einen Vorteil für den Artenschutz mit sich bringen. Ebenfalls entscheidend für den Umsetzungserfolg wird auch sein, mit welchem personellen Aufwand die Festlegung und Prüfung verbunden sein wird.
Denn bereits jetzt stehen den UNB bekanntlich deutlich zu wenige Mitarbeiter*innen für die fachliche Begleitung und die anschließenden Vor-Ort-Kontrollen der VNP-Maßnahmen zur Verfügung. Die Zusammenarbeit UNB – ÄELF und zeitnahe Auszahlung der Fördermittel läuft daher leider nicht überall in Bayern reibungslos, weshalb wir auch seit längerem die vollständige Übertragung des VNP Programms an die ÄELF mit entsprechend höherer Personalausstattung fordern.
Nun zu den erfreulichen Neuerungen der Richtline:
Zwei sinnvolle Fördertatbestände wurden mit „2.4 Erhalt von Altholzinseln“ und „2.5 Erhalt vielfältiger Biotopbaum-, Totholz- und Lichtwaldstrukturen nach Störungsereignissen“ aufgenommen. Die Fördersätze wurden merklich angehoben, teilweise sogar um ein Vielfaches (Maßnahme 2.1.2 Entnahme des Unterholzes – Stockhiebe) und bilden nun den tatsächlich entstehenden Arbeitsaufwand für die Waldbesitzenden bzw. den tatsächlichen ökologischen Wert, z. B. von Biotopbäumen und Totholz besser ab. Außerdem werden die bisherigen „Zugpferde“ des Programms, die Fördertatbestände „2.6 Biotopbäume“ und „2.7 Belassen von Totholz“ differenzierter und vorausschauender betrachtet. So werden nun die von uns geforderten potentiellen „Biotopbaumanwärter“ nun zumindest in Natura 2000 Gebieten mit einbezogen.
Fazit: Die Richtlinie ist finanziell deutlich attraktiver gestaltet und eröffnet inhaltlich neue Möglichkeiten für den gesamten Privat- und Körperschaftswald. Leider ist es unverständlich warum immer noch an einschränkenden Flächenkulissen und geteilten Zuständigkeiten festgehalten wird, denn: wenn man sich (zwischen den Ministerien) nicht einigen kann, wie die kulissenunabhängigen Neuerungen zu verstehen sind, gilt die jetzt auch noch um die Landschaftsschutzgebiete reduzierte Flächenkulisse, eben doch weiterhin. Würden diese Hürden fallen, stünde einem praktikablen, in der Fläche wirksamen Waldnaturschutz nichts mehr im Wege.
Hier die Richtlinie:
mit den zugehörigen Fördersätzen:
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