Anfrage: Gämsen auf der Vorwarnliste der Roten Liste Deutschland

Schriftliche Anfrage der Herren Abgeordneten Hans Urban und Chris-tian Hierneis vom 19.11.2020 betreffend „Gämsen auf der Vorwarnliste der Roten Liste Deutschland“ + Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 22.12.2020

1.a) Welche Studien und Veröffentlichungen von Aulagnier et al. und der Deutschen Wildtierstiftung wurden zur Beurteilung des Gamsvorkommens in Deutschland durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) verwendet?
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) als Herausgeber führt in der „Roten Liste und Gesamtartenliste der Säugetiere (Mammalia) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (2)“ (Rote Liste) folgende Veröffentlichungen auf S. 42 zur Gämse an:
• Aulagnier, S., Giannatos, G. & Herrero, J. (2008): Rupicapra rupicapra. The IUCN Red List of Threatened Species 2008: e.T39255A10179647. – URL: http://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2008.RLTS.T39255A10179647.en (aufgerufen am 21.07.2020).
• Deutsche Wildtier Stiftung (2018): Gämse – Der Konflikt in Bayern. Das Symboltier der Alpen zwischen Schutzwaldsanierung, Skitourismus und EU-Schutz.
– URL: https://www.deutschewildtierstiftung.de/naturschutz/gaemse-der-konflikt-in-bayern (aufgerufen am 14.08.2019).

1.b) Welche weiteren Veröffentlichungen wurden außer den oben genannten noch in die Beurteilung miteinbezogen?
Auf S. 42 der Rote Liste werden weiter folgende Veröffentlichungen angegeben:
• Regierung von Oberbayern (Hrsg.) (2014): Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern. – München. – Oberbayerisches Amtsblatt 4/2014: 25–31.
• Mason, T.; Stephens, P.; Apollonio, M. & Willis, S. (2014): Predicting potential responses to future climate in an alpine ungulate: Interspecific interactions exceed climate effects. – Global Change Biology 20 (12): 3872– 3882.
• Gander, H. & Ingold, P. (1997): Reactions of male alpine chamois Rupicapra r. rupicapra to hikers, joggers and mountainbikers. – Biological Conservation 79: 107–109.
• Schnidrig-Petrig, R. & Ingold, P. (2001): Effects of paragliding on alpine chamois Rupicapra rupicapra rupicapra. – Wildlife Biology 7: 285–294.
• Arnold, W. (2015): Überleben im Hochgebirge – Winteranpassungen des Gamswildes. – In: Landesjagdverband Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V. (Hrsg.): Symposium des Landesjagdverbandes Bayern – Bayerischer Jagdverband e.V. und der Bayerischen Akademie für Jagd und Natur. Die Zukunft des Gamswildes in den Alpen. – Feldkirchen. – Schriftenreihe des Landesjagdverbandes Bayern 21: 13–18.

1.c) Welche wissenschaftlichen Ergebnisse von Aulagnier et al. aus 2008 wurden konkret zur Beurteilung des aktuellen Gefährdungszustandes der Gämsen in Bayern seitens des BfN einbezogen?
Siehe Antwort zu Frage 1.a).

2.a) In welchem Zeitraum fanden in Bayern die Außenaufnahmen zur Ermittlung des zahlenmäßigen Gamsbestands im Rahmen des Gamsprojekts der Deutsche Wildtierstiftung statt?
Auf der in der Roten Liste zitierten Homepage der Deutschen Wildtierstiftung findet sich hierzu folgende Angabe: Im Winter bzw. Jagdjahr 2015/16.
2.b) Durch wen wurden Daten erhoben (Bitte Name, Qualifikation und ggfls. Funktion innerhalb der Stiftung angeben)?
Auf der in der Roten Liste zitierten Homepage der Deutschen Wildtierstiftung finden sich hierzu keine Angaben.
2.c) Wie wurden die Daten erhoben (Methodik)?
Auf der in der Roten Liste zitierten Homepage der Deutschen Wildtierstiftung finden sich zur Methodik der Datenerhebung folgende Angaben:
Im Winter 2015/16 wurden festgelegte Wegstrecken (Linientransekte) in regelmäßigen Abständen und zur selben Tageszeit abgegangen und alle aufgefundenen Spuren, Losungshaufen und Sichtbeobachtungen von Gämsen
erfasst. Von frischen Losungshaufen wurden jeweils zwei Proben gesammelt und an der Universität Porto mittels DNA-Analyse untersucht.
Für das Jagdjahr 2015/16 wurden alle auf den bayerischen Hegeschauen ausgestellten Gamskrucken auf Alter und Geschlecht beurteilt und den unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen (staatlich oder privat) der Jagdreviere zugeordnet.

3.a) Wie groß ist die durch die Wildtierstiftung ermittelte Gamspopulation in Deutschland konkret?
Hierzu finden sich keine Angaben auf der in der Roten Liste zitierten Home-page der Deutschen Wildtierstiftung.
3.b) Wie groß ist die durch die Wildtierstiftung ermittelte Gamspopulation in Bayern konkret?
Siehe Antwort zu Frage 3.a).
3.c) Welche konkreten Zahlen liegen der Zuordnung zu einer der möglichen acht Kategorien zur „Aktuellen Bestandssituation“ beim Gamswild zu Grunde (Bitte für die Kategorien „extrem selten“, „sehr selten“, „selten“, „mäßig häufig“, „häufig“, „sehr häufig“ angeben)?
In der Publikation der Roten Liste finden sich dazu keine Angaben.

4.a) Welche weiteren Informationen und Daten konnten im Rahmen des Projekts der Wildtierstiftung noch generiert werden, die ausschlaggebend für das BfN waren, die Gämsen auf die Vorwarnliste zu setzen?
Aus der der Roten Liste ergeben sich keine Angaben darüber, ob und was bezogen auf das Projekt der Wildtierstiftung ausschlaggebend war die Gämsen auf die Vorwarnliste zu setzen.
4.b) Wie wurden diese Informationen und Daten ermittelt (Methodik)?
Siehe Antwort zu Frage 4.a).
4.c) Welche konkreten Informationen wurden zur Beurteilung des Gesundheitszustands der Gamspopulation herangezogen?
Hierzu finden sich keine Angaben auf der in der Roten Liste zitierten Homepage der Deutschen Wildtierstiftung.

4.a) Mit welchen anderen Institutionen (Verbände, wissenschaftliche Forschungs-anstalten, Hochschulen, etc.) fand eine Zusammenarbeit seitens des BfN statt, um tragfähige Informationen zum tatsächlichen Gamsbestand in Deutschland zu erhalten?
In der Roten Liste finden sich hierzu keine Angaben. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7.a) verwiesen.
4.b) Wurden (Zwischen-)Ergebnisse des seit 2016 an der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) laufenden Projekts „Integrales Schalenwildmanagement im Bergwald“, welches sich schwerpunktmäßig mit der Erfassung von Populationsgröße, Populationszustand und Raumnutzung des Gamswil-des beschäftigt, zur Bewertung herangezogen?
Auf die (Zwischen-)Ergebnisse des seit 2016 an der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) laufenden Projekts „Integrales Schalenwildmanagement im Bergwald“ wird in der Roten Liste nicht verwiesen. Weder mit dem Staatsministerium als Auftraggeber noch mit der LWF als Projektträgerin wurde Kontakt aufgenommen.
4.c) Fanden die Ergebnisse der seit 2018 an der LWF zusätzlich durchgeführten Untersuchungen „Gamstelemetrie in Bayern“ Eingang in die Bewertung?
Siehe Antwort zu Frage 4.b).

5.a) Wurden die langjährigen Erfahrungen und Beobachtungen, der im Staatswald örtlich zuständigen Revierleiter*innen und Berufsjäger*innen der Bayerischen Staatsforsten zu Vorkommen, Zustand und Verhalten der Gämsen in den bayerischen Alpen mit einbezogen?
In der Roten Liste finden sich hierzu keine Angaben.
5.b) Wenn nein, warum nicht?
Siehe Antwort zu Frage 5.a).

6.) Warum wird auf die bereits veraltete Schonzeitaufhebungsverordnung der Regierung von Oberbayern von 2014 verwiesen und nicht auf die aktuell gültige Verordnung von 2019?
Die aktuelle „Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern“ (Schonzeitverordnung) gilt seit dem 22.02.2019. Als Stand ist in der Roten Liste November 2019 angegeben (S.7). Es ist für das Staatsministerium nicht nachvollziehbar, warum in der Roten Liste nicht die aktuelle Verordnung zitiert wird.

7.a) In welcher Form fand im Zuge des Beurteilungsprozesses eine Zusammenarbeit des BfN mit dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz bzw. dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) statt?
Nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz wurde die Rote Liste der Säugetiere Deutschlands von Experten im Rahmen eines Projektes des Rote-Liste-Zentrums im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. erarbeitet. Das Bundesamt für Naturschutz war Auftraggeber der Roten Liste und hat keine eigenen Recherchen in Zusammenarbeit mit Landesbehörden durchgeführt.
7.b) Warum befindet sich die Gams nicht auf der Vorwarnliste bzw. Roten Liste der gefährdeten Tiere Bayerns?
Nach Auskunft des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz erfolgt die Einstufung der Arten in die Kategorien der Roten Listen nach einem vorgegebenen Bewertungsschema. Bei der Gämse wurden in Bayern und bundesweit dieselben Parameter verwendet. Die aktuelle Bestandssituation ist im Vergleich zu anderen Huftieren als selten zu bezeichnen und langfristig, ebenso wie kurzfristig, gab es keine signifikanten Bestandstrends. Die Autoren der Roten Liste Deutschlands haben zusätzlich zwei Risikofaktoren geltend gemacht, durch die die Gämse in die Kategorie V („Vorwarnliste“) gekommen ist.

8.a) Wird die Gams im aktuellen FFH – Bericht (Nationaler Bericht nach Art. 17 FFH-Richtlinie in Deutschland (2019), Teil Arten (Annex B)) als „sensibel“ eingestuft?
Nein.
8.b) Welche Quellen wurden hier zur Bewertung des Zustandes in Bayern herangezogen?
Im FFH-Bericht 2019 sind dazu folgende Angaben zu finden: Auswertung von Streckenlisten, Expertenaussagen, Umfrage bei den Forstbetrieben der Bayerischen Staatsforsten und Habitatmodellierungen.
8.c) Wie werden die Zukunftsaussichten für die Gämsen hinsichtlich ihres Verbreitungsgebiets, Population und Habitat in diesem Bericht gesehen?
Folgende Einwertungen sind dazu im FFH-Bericht 2019 zu finden:
• Zukunftsaussichten des Parameters Verbreitungsgebiet: Gut
• Zukunftsaussichten des Parameters Population: Gut
• Zukunftsaussichten des Parameters Habitat: Gut