Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Hans Urban vom 16.07.2020 betreffend Flurbereinigung in Bayerns Privatwäldern + Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 27.08.2020
Vorbemerkung: In der Ländlichen Entwicklung gibt es mehrere Möglichkeiten, die Strukturen im Wald gezielt zu verbessern und eine Bewirtschaftung zu erleichtern. Man unterscheidet zwischen einem Flurneuordnungsverfahren im Wald (Waldneuordnung) und einem Freiwilligen Landtausch im Wald. Die Ziele dieser beiden Verfahren sind die gleichen, der Gebietsumfang und die Möglichkeiten der Bodenordnung und der Förderung unterscheiden sich. Wenn nicht explizit erwähnt, sind im folgenden Text immer beide Verfahrensarten unter dem Begriff Waldflurbereinigung eingeschlossen. Die Ländliche Entwicklung hat schon frühzeitig auch die Potentiale von Waldverfahren erkannt und bietet diese den Kommunen und Waldbesitzern an. Gleichwohl muss erwähnt werden, dass Waldflurbereinigungen komplex sind und einen hohen Personalaufwand erfordern. Auch die Forstverwaltung hat mit der Initiative Strukturverbesserung im Privatwald auf die aktuellen Entwicklungen reagiert und bietet zielgruppenbezogene Angebote an.
1.a) Unter welchen Voraussetzungen kommt eine Waldflurbereinigung zustande?
1.b) Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
1.c) Wie lange warten Waldbesitzer*innen im Durchschnitt auf eine Berücksichtigung bzw. Durchführung ihres Antrags auf Waldflurbereinigung?
Ein Verfahren im Wald kommt auf Antrag durch Kommunen, Waldbesitzervereinigungen, Jagdgenossenschaften, andere Verbände oder durch Anregung des zuständigen Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) zustande. Neben objektiven Kriterien wie z. B. Bodenordnungsbedarf (Besitzzersplitterung, Eigentumsverhältnisse), Waldbewirtschaftung (Zustand des Waldes, Zustand des Wegenetzes), öffentliche Planungen und Vorteile der Grundstücksbesitzer, beeinflussen auch die Mitwirkungsbereitschaft der betroffenen Eigentümer sowie die Kapazitäten der Ämter für Ländliche Entwicklung (ALE) die Anordnung eines Verfahrens. Auch die Träger öffentlicher Belange sind zu beteiligen. Die Zeit von der Beantragung einer Waldflurbereinigung bis zur Anordnung hängt von vielen Faktoren ab und kann nicht pauschal angegeben werden. Ein wesentlicher Punkt ist die Mitwirkungsbereitschaft der Grundstückseigentümer und Pächter; hier sind schon vor einer Anordnung Informationsveranstaltungen, Begehungen und Gespräche notwendig.
2.a) Wie verschafft sich die Staatsregierung einen Überblick über jene Waldgebiete, wo sich der Wunsch nach Waldflurbereinigung von Seiten der Waldbesitzerinnen mit einer ungünstigen fragmentierten Situation überschneidet?
2.b) Bietet die Forstverwaltung proaktiv gemeinsame Waldbegänge zu erfolgreich umgesetzten Waldflurbereinigungsgebieten für Waldbesitzerinnen an, die für das Verfahren in Frage kommen bzw. sich für das Verfahren interessieren (Referenzflächen)?
Durch die Struktur und die flächendeckende räumliche Verteilung der ÄLE und der ÄELF ist sichergestellt, dass die Beschäftigten der zuständigen Ämter vor Ort präsent und gut vernetzt sind sowie Ortskenntnis besitzen. Außerdem finden eine gute Zusammenarbeit und regelmäßiger Austausch der beiden Verwaltungen statt. Schon durchgeführte Waldflurbereinigungen dienen als Leuchtturmprojekte und zeigen vor Ort die Möglichkeiten einer Waldflurbereinigung auf, werden aber auch bei Fachveranstaltungen oder anderen Besprechungen herangezogen, um über das Instrument zu informieren.
Sowohl die Forstverwaltung als auch die Ländliche Entwicklung bieten gemeinsame Waldbegänge in potenziellen Gebieten, aber auch in bereits bereinigten Gebieten für interessierte Waldbesitzer an.
3.a) Wie ist die Anzahl der Waldbesitzarten regional verteilt (Bitte nach Anzahl Waldbesitzerinnen pro Landkreis, Verteilung Privat-, Staats-, und Körperschaftswald aufschlüsseln)?
3.b) In welcher Zahl wurden Waldflurbereinigungen von den Waldbesitzerinnen in den verschiedenen Regionen im Zeitraum von 2008-2020 nachgefragt?
3.c) Wie viele Anträge auf Waldflurbereinigungen konnten im genannten Zeitraum umgesetzt werden (Bitte nach Landkreisen und zuständigem AELF aufschlüsseln)?
4 a) Wie hat sich aufgrund der durchgeführten Flurbereinigungen im Zeitraum 2008 bis 2020 die Anzahl der Waldflächen verändert (Bitte Gesamtzahl der Waldflächen vor und nach Flurbereinigungsverfahren nennen)?
4.b) Welche Größe hatten die Waldflächen im Durchschnitt vor der Arrondierung?
4.c) Welche Größe hatten die Waldflächen im Durchschnitt nach der Arrondierung?
Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
In allen Regionen gibt es sowohl Privat- und Kommunalwälder als auch Staats- und Bundeswälder. Die Verteilung ist recht unregelmäßig und hängt von den Strukturen der einzelnen Regionen ab (siehe Anlage). Daher ist auch die Nachfrage nach Waldflurbereinigungen sehr unterschiedlich. So wurden beispielsweise in Unterfranken 36 Waldflurbereinigungen angefragt, in der Oberpfalz keine und in Schwaben vier, hingegen in der Oberpfalz aber bei-spielsweise 21, in Oberfranken 22, in Mittelfranken 30 Freiwillige Landtau-sche. Die Umsetzungsstände sind ganz unterschiedlich. Gerade Waldflurbe-reinigungen können sehr komplex sein und bedürfen einer guten Vorberei-tung. Nichtsdestotrotz ist das Instrument der Waldflurbereinigung und des Freiwilligen Landtausches häufig erfolgreich umgesetzt worden.
Ebenso wie die Anzahl der Verfahren ist auch der Zusammenlegungsgrad in den Regionen sehr unterschiedlich, so dass die Bildung von Durchschnittswerten hier nicht zielführend ist. Bei einer Waldflurbereinigung ist aber nicht nur die Vergrößerung von Waldflächen bzw. die Zusammenlegung ein Erfolgsfaktor. Vielmehr spielen auch die Form der Grundstücke, die Erschließung, die Sicherung der Grenzen und das Auflösen von gemeinschaftlichem Eigentum eine große Rolle für die Waldbesitzer.
5.a) Welche Rückmeldungen gab es zusammenfassend zu bereits durchgeführten Flurbereinigungsverfahren im Wald von den beteiligten Waldbesitzerinnen (z.B. mündliche oder schriftliche Rückmeldungen an die zuständigen Revierleiter des AELF)?
5.b) Wie hoch war die Zufriedenheit bei den beteiligten Waldbesitzerinnen nach den durchgeführten Maßnahmen?
5.c) Inwieweit werden bzw. wurden bei Maßnahmen zur Waldflurbereinigung die jeweiligen Waldbesitzergemeinschaften bzw. Forstbetriebsgemeinschaften eingebunden?
Die Rückmeldung zu den Verfahren ist durchweg positiv, anfangs vorhandene Kritiker konnten vom Nutzen der Waldflurbereinigung überzeugt werden. Ein wichtiger Baustein ist hier das in der Ländlichen Entwicklung seit Jahrzehnten verfolgte bottom up-Prinzip. Eine frühzeitige Einbindung der Eigentümer, Pächter und Interessensvertretungen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor.
6.a) Welche regionalen Unterschiede gibt es bei den bisher durchgeführten Waldflurbereinigungen (Bitte nach Landkreis und zuständigem AELF aufteilen)?
6.b) Welche regionalen Unterschiede gibt es bei den derzeit gestellten Anträgen auf Waldflurbereinigungen (Bitte nach Landkreis und zuständigem AELF aufteilen)?
Waldflurbereinigungen verfolgen grundsätzlich das gleiche Prinzip und durchlaufen die gleichen gesetzlichen Vorgaben unabhängig vom zuständigen ALE bzw. von der Region. Natürlich gleicht aber kein Verfahren dem anderen, da die Ausgangssituationen wie Anzahl und Größe der Grundstücke, Beschaffenheit des Wegenetzes, etc. (siehe Punkt 1) immer unterschiedlich sind.
7.a) Welche Maßnahmen gibt es bzw. werden von Seiten der Forstverwaltung und der Forstzusammenschlüsse vorgeschlagen, falls die Waldflurbereinigung in neuordnungsbedürftigen Flächen nicht zum Einsatz kommen kann?
7.b) Welche konkreten Strukturverbesserungen konnten durch die oben beschriebenen Maßnahmen erzielt werden?
Sollte eine umfassende Waldflurbereinigung nicht in Frage kommen, so kann oft das Instrument des Freiwilligen Landtausches weiterhelfen, da hier in kleinerem Umfang gehandelt wird. Außerdem gibt es staatliche Unterstützung im forstlichen Wegebau und bei der Waldpflege und -bewirtschaftung. Hier steht die Forstverwaltung im engen Kontakt mit den Eigentümern. Alle Maßnahmen dienen dazu, eine fachgerechte, nachhaltige Bewirtschaftung auch in Zukunft zu ermöglichen und die Grundlage zu schaffen für die Unterstützung von Dienstleistern aus dem Sektor der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse oder aus dem gewerblichen Bereich. Dazu gehören insbesondere abgemarkte Grenzen, gut erschlossene Grundstücke, klare Eigentumssituationen sowie Beratung und Förderung.
Angesichts des stark rückläufigen Anteils der Eigenbewirtschaftung machen besitzübergreifende Bewirtschaftungsprojekte sowohl in der natürlichen Verjüngung, der Kulturbegründung, der Pflege als auch der Holzernte im kleinstrukturierten Privatwald die Durchführung von effektiven Maßnahmen sowie den meist dringend benötigten Einsatz von Dienstleistern erst praktikabel und wirtschaftlich tragbar.
8.a) Wie viele Mitarbeiter*innen arbeiten in der Forstverwaltung schwerpunktmäßig an dem Thema Waldflurbereinigung?
8.b) Wie beabsichtigt die Staatsregierung das Instrument der Waldflurbereinigung in den nächsten Jahren auszubauen?
8.c) Welche konkreten Regionen bzw. Waldgebiete Bayerns kommen für zukünftige Waldflurbereinigungen in Frage?
Die Verwaltung für Ländliche Entwicklung befasst sich federführend mit dem Thema Waldflurbereinigung. Wie beschrieben sind die Verfahren im Wald komplex und erfordern eine zügige Durchführung gerade zwischen den Phasen der Waldbewertung und der Neuverteilung. Die Einleitung neuer Projekte muss deshalb sorgfältig auf die personellen Möglichkeiten des jeweiligen ALE abgestimmt werden. Im Bereich der Forstverwaltung sind zwei Mitarbeiter speziell für diesen Bereich zuständig, gleichwohl sind aber natürlich die Förster vor Ort zentrale Ansprechpartner und Botschafter für die Waldflurbereinigung.
Das Thema Wald und Waldumbau wird in Zukunft immer wichtiger werden. Gerade die Kalamitäten in den Wäldern bedürfen einer vorausdenkenden Forstpolitik. Durch das neue Waldförderprogramm wurde bereits ein wichti-ger Schritt getan. Das Instrument der Waldflurbereinigung ist erprobt und wird auch zukünftig weiter verfolgt.
Die in der Anfrage erwähnte Cluster-Studie aus dem Jahr 2008 zeigt Bereiche in denen erhöhter Neuordnungsbedarf besteht. Die Forstverwaltung und die Verwaltung für Ländliche Entwicklung werden entsprechend den gestellten Anträgen und im Rahmen ihrer finanziellen und personellen Kapazitäten zum Abbau der Besitzzersplitterung, zu einer bedarfsgerechten und schonenden Erschließung sowie zur Verbesserung der Waldpflege und -bewirtschaftung beitragen. Notwendige Voraussetzung für beide Verwaltungen ist die Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer, um die Ziele des Waldumbaus zu erreichen.