Einen spannenden Nachmittag durfte ich Anfang der Woche in Garmisch-Partenkirchen verbringen. Stefan Schmidt, Bundestagsabgeordneter der Grünen aus Regenburg, besuchte den Zugspitzort, um sich an einem der Hotspots des Sommertourismus dieser Tage ein Bild von der Lage zu machen und um sich mit lokalen Akteur*innen über eine gute Zukunft des Tourismus in der Region auszutauschen.
Eine gute Zukunft für den Tourismus in der Region, das schließt das Wohlbefinden aller mit ein: Natur, Einheimische, Gäste, Grundbesitzer*innen, Hoteliers usw. Unsere Region lebt zu einem Gutteil vom Tourismus, und das gut. Das dürfen wir bei allen berechtigten Debatten unter dem Schlag- und Reizwort „Overtourismus“ nicht vergessen.

Mit von der Partie waren neben Schmidt Michael Gerber von der GaPa Garmisch-Partenkirchen Tourismus GmbH, Dr. Hannes Vogelmann, Ansprechpartner vor Ort für die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus vom Karlsruher Institut für Technologie, die Kreissprecher der Grünen, Christl Freier und Stephan Thiel, Irmi Gallmeier vom Arbeitskreis Tourismus des Ortsverbands und Stephen Kossegi, ebenfalls Grüne.
Michael Gerber, Geschäftsführer von GaPa-Tourismus, definierte das vielzitierte Wörtchen „Overtourismus“ auf eine interessante und stimmige Art und Weise: „Wenn die Grenzen der Belastung nach dem Gefühl der Einheimischen überschritten werden.“ Corona habe den Einheimischen den Ort für rund zwei Monate zurückgegeben, sie hätten den Ort wieder ohne Touristen erlebt. Und jetzt, wo die Touristen wieder da sind, würden die Leute diesen Zustand neu und anders wahrnehmen. Daraus, so erklärt es sich Gerber, würden nun Demos wie „Ausbremst is“ folgen, wie es sie eigentlich genauso schon vor zehn Jahren hätte geben können.
Dass viele Orte im Oberland an ihre Grenzen stoßen beim aktuellen Andrang gerade auch von Tagestouristen ist nicht zu bestreiten. Doch bei genauerem Hinschauen wird schnell klar: Es handelt sich hier vor allem um ein Mobilitätsproblem. Heute rächt sich – und mit Corona hat sich dieses Problem nur verstärkt – was seit Jahren verschlafen wurde, der Ausbau des öffentlichen und des Schienennahverkehrs. Denn wogegen die Menschen in Garmisch, am Walchensee und in Wallgau in erster Linie protestieren, das ist die Blechlawine, die sich an jedem schönen Wochenende im Sommer durch ihre Orte zwängt. Wir alle waren uns einig: Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs hängt gewaltig hinterher. Hier müsste längst mehr erreicht sein und hier müssen die Regionalisierungsmittel vom Bund, die Bayern an die Kommunen weitergeben sollte, hineinfließen. Für Straßen ist Geld da, für die Schiene nicht, oder werden die Mittel für die Region eigentlich für die zweite Stammstrecke im Zentrum München gespart?
Bei aller Kritik an der fehlgeleiteten Mobilität waren wir uns allerdings einig, dass Regionen wie die Zugspitzregion, Garmisch-Partenkirchen insbesonders, vom Tourismus leben. Tourismus ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Oberland, ihn zu verteufeln ist daher zu wenig. Vielmehr geht es darum, ihn in nachhaltige und verträgliche Dimensionen zu lenken. Für die Natur. Für die Menschen vor Ort. Und nicht zuletzt für die Gäste selbst.
Interessant war zu hören, dass der Corona-Lockdown in Garmisch dazu geführt hat, dass die Gäste preissensibler geworden sind. Häuser, die weniger zu bieten haben, würden daher auf der Strecke bleiben, so Gerber. Im Juli sei zudem festzustellen gewesen, dass es in Garmisch 6% mehr Übernachtungen als 2019 gegeben habe. Das aber bei weniger Ankünften, d.h. Tourist*innen bleiben im Schnitt vier statt drei Tage. Hotspots wie die Zugspitze sind überlaufen wie selten zuvor.
Um die Hotspots zu entzerren und eine bessere Verteilung der Tourist*innen in Bayern zu erreichen, braucht es daher, und auch hier herrschte Einigkeit, Besucher*innenlenkung. Was sperrig klingt und manche skeptisch stimmt, kann bei intelligenter Umsetzung durchaus funktionieren. Das zeigen uns die Schweiz, Österreich, Neuseeland, Finnland, Tschechien. Gelungene Beispiele dazu gibt es noch viele mehr. (Dazu nächsten Dienstag mehr in meinem Podcast „Land & Landtag“ zum Thema Tourismus).
Was es braucht für die Zukunft des Tourismus nach Corona, ist…
… ein attraktiver Nahverkehr. Der muss ein überzeugendes Shuttlebus-System zum Eibsee beinhalten, einen zweigleisgen Ausbau der Werdenfelsbahn, schnelle und direkte Busverbindungen von München in die Region und quer durch die Region.
… innovative Hotelkonzepte, die Menschen ansprechen, die die Natur nutzen wollen. Beispiele wie das in Farchant geplante Explorer-Hotel sind hier zu nennen. Das Konzept: Urlaub im klimaneutralen Passivhaus-Hotel und zum Abendessen dann ab in den Ort. So lässt sich Wertschöpfung für die Region generieren.
… endlich das Aufbrechen des kommunalen Kirchturmdenkens. Überregionale Lösungs- und Lenkungsansätze sind gefragt. Wenn wir uns weiter im Klein-Klein verlieren, werden wir nicht weiter kommen. Beispiele gibt es auch hier genügend. Südtirol, Kärnten, die Steiermark als Marke für sich machen es uns vor. Und wir haben es bis heute noch nicht geschafft, in der Region eine gemeinsame Gästekarte zu entwickeln. Dabei sollten wir das Oberland als gemeinsamen touristischen Raum sehen, Stichwort Erholungsflächenverband.
Denn eines ist unumstößlich: Die Metropolregion München wächst, immer weiter auch ins Umland hinaus. Und die Menschen werden weiterhin Freizeit und Erholung und damit den Weg ins Umland suchen. Dieses Recht wird man ihnen nicht verehren können und sollte es auch nicht wollen. Daher geht es um die besten Lösungen. Gute Lösungen als Vorbilder gibt es zuhauf; für die reicht oftmals schon ein Blick über den kommunalen, regionalen und bayerischen Tellerrand hinaus. Und wenn sich die passende Lösung abzeichnet ist, heißt es, endlich mit gebündelten Kräften anpacken. Damit die Einheimischen keinen zweiten Sommer mit Plakaten auf die Straße gehen müssen.
