Anfrage: Rodungen von Streuobstwiesen in Bayern im Zuge des Volksbegehrens Artenvielfalt „Rettet die Bienen“

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hans Urban „Rodungen von Streuobstwiesen in Bayern im Zuge des Volksbegehrens Artenvielfalt „Rettet die Bienen“ + Antwort des Staatministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 09.12.2019:

1.a) Wie viele Anzeigen bzgl. teilweise oder vollständig gerodeter Streuobstwiesen sind im Jahr 2019 an den Unteren Naturschutzbehörden (UNB) im Freistaat eingegangen?
1.b) An welchen bayerischen UNBs sind diese eingegangen (Bitte um Nennung der UNBs und Anzahl der Anzeigen)?

Die Fragen 1.a) und 1.b) werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: An unteren Naturschutzbehörden (uNB) in Ober-, Mittel- und Unterfranken sind im Jahr 2019 einzelne Anzeigen und mehrere, zum Teil zahlenmäßig nicht näher erfasste Hinweise zur Fällung von Streuobstbeständen eingegangen. Im Landratsamt Forchheim sind zwei Anzeigen im engeren Sinn eingegangen. Beim Landratsamt Ansbach und beim Landratsamt Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim ist jeweils eine Anzeige im engeren Sinn eingegangen.
1.c) Wie hat die Staatsregierung auf den Eingang dieser Anzeigen reagiert?
Naturschutzbehörden (untere, höhere und oberste Naturschutzbehörde) waren mit der Thematik punktuell v. a. über die Medienberichterstattung oder über Hinweise befasst. Sollten von den Fällungen geförderte Streuobstbestände betroffen sein, wozu bislang keine Anhaltspunkte bestehen, würde dies im Rahmen regulärer Kontrollen erfasst und ggf. sanktioniert.

2.a) Inwieweit hat die Staatsregierung Besitzer*innen von Streuobstwiesen gezielt über die Bedeutung der im Volksbegehren festgeschriebenen Maßnahmen für Streuobstwiesen aufgeklärt?
2.b) Über welche Kanäle hat die Staatsregierung dies getan?
2.c) Mit welchen konkreten Mitteilungen bzw. Informationsschreiben der Staatsregierung ist dies geschehen?

Die Fragen 2.a), 2.b) und 2.c) werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Die zuständigen Staatsministerien haben ihre nachgeordneten Behörden und damit vor Ort frühzeitig über das Thema Unterschutzstellung von Streuobstbeständen informiert:
das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit E-Mail vom 12. April 2019, das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit E-Mail vom 16. April 2019.
Über die neuen gesetzlichen Regelungen auch für geschützte Streuobstbestände hat das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz die Öffentlichkeit am 17. Juli 2019 mit einer Pressemitteilung und einem Flyer informiert. Einzelheiten zur fachlichen Abgrenzung des neuen gesetzlich geschützten Biotoptyps „Streuobstbestände“ werden durch Rechtsverordnung der Staatsregierung bestimmt werden.

Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich vor dem Ende der Antragstellung zum Mehrfachantrag im Mai an alle Landwirte gewandt und über mögliche Auswirkungen des Volksbegehrens auf die aktuelle Antragsstellung informiert. Im „StMELF aktuell“ wurde ebenfalls umfassend über das Maßnahmenpaket zugunsten der Artenvielfalt und Naturschönheiten in Bayern informiert, zur geplanten Ausweisung von Streuobstwiesen als Biotope wie folgt: „Bei der vorgesehenen Biotopausweisung von Streuobstbeständen ab einer Größe von 2.500 Quadratmetern wird auch künftig eine reguläre Bewirtschaftung ohne aufwändige Genehmigungsverfahren möglich sein. Beispielsweise können weiterhin einzelne Bäume – etwa als Reaktion auf Erkrankung oder Schädlingsbefall, aber auch zum Erhalt einer angemessenen Altersstruktur – aus dem Bestand entnommen und durch eine Neuanpflanzung ersetzt werden. Auch die Möglichkeit Schaderreger wie z. B. die Kirschfruchtfliege durch den begrenzten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu bekämpfen bleibt erhalten. Darüber hinaus kann die Rodung von Streuobstbeständen zur Erweiterung von Hofstellen genehmigt werden, wenn dafür an anderer Stelle ein Ausgleich geschaffen wird.“

3.a) Wie groß war die von den Rodungen betroffene Fläche insgesamt (Bitte aufgelistet nach den betroffenen Landkreisen)?
Diese und die folgenden Antworten unter Ziffer 3. beziehen sich auf die zu den Fragen 1.a) und 1.b) genannten Anzeigen im engeren Sinn. Teilweise ist die Nennung seriöser Daten nicht möglich.
Landkreis Forchheim: ca. 2,88 ha (gemessen wurden die gesamten betroffenen Flurstücke bzw. Feldstücke, teilweise auch nur zum Teil mit Obstbäumen bepflanzt)
Landkreis Ansbach: ca. 1.688 m²
Landkreis Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim: ca. 1.000 m²

3.b) Inwieweit kann die Staatsregierung abschätzen, wie viele Bäume von den Rodungen betroffen waren?
Landkreis Ansbach: ca. 40 Bäume
Landkreis Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim: ca. 15 Bäume

3.c) Welche Baumarten waren besonders betroffen?
Landkreis Ansbach: Zwetschgen-, Apfel- und Kirschbäume
Landkreis Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim: vorwiegend Apfelbäume, 1 Walnussbaum

4.a) Hat die Staatsregierung Kenntnis, inwieweit bei den vorgenommenen Rodungen artenschutzrechtliche Belange berührt worden sind?
Wenige der gefällten Bäume wiesen Höhlungen auf. In den übrigen Fällen konnten bei den im Nachgang zu den Anzeigen durchgeführten Ortseinsichten keine artenschutzrechtlichen Verstöße festgestellt werden bzw. sind etwaige Verstöße nicht bekannt.
4.b) Waren die vorgenommenen Rodungen rechtlich zu der Jahreszeit erlaubt?
4.c) Wenn nein, welche Konsequenzen hat dies für die Besitzer*innen?

Die Fragen 4.b) und 4.c) werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Das jahreszeitliche Verbot des § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG findet auf gärtnerisch genutzten Grundflächen, zu denen auch Streuobstwiesen zählen, keine Anwendung. Die mögliche Unzulässigkeit einzelner Rodungen und die Wiederherstellungsanordnung bzw. Einleitung eines Ordnungswidrigkeiten-Verfahrens können sich aus der für ein Gebiet bestehenden Naturpark-Verordnung (Schutzzone) und aus artenschutzrechtlichen Belangen ergeben.

5.a) Inwieweit hat die Staatsregierung Kenntnis davon, wie sich der Bestand an Streuobstwiesen in Bayern in den vergangenen Jahren entwickelt hat (Bitte um Auflistung über die vergangenen zehn Jahre)?
5.b) Welchen Anteil an der Landesfläche machen Streuobstwiesen in Bayern aktuell aus?

Die Fragen 5.a) und 5.b) werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Im Jahr 1965 wurden in Bayern zum letzten Mal flächendeckend die Streuobstbestände erfasst und 20 Mio. Streuobstbäume gezählt. Bis 1974 hat die EG Rodungsprämien für jeden Hochstammobstbaum bezahlt. Ziel war damals die Schaffung von zukunftsfähigen Strukturen für die Erzeugung von Tafelobst in Europa. Eine drastische Reduktion der Streuobstflächen war die Folge. Zudem mussten in den letzten Jahrzehnten in erheblichem Umfang von der Feuerbrandkrankheit betroffene Bäume gerodet werden, um eine Ausbreitung dieser Krankheit zu verhindern.
Für das Jahr 2019 schätzt die Bayerische Staatsregierung den Bestand in Bayern auf ca. 5,5 Mio. Streuobstbäume. Ein Anteil der Streuobstwiesen an der Landesfläche kann hieraus nicht abgeleitet werden.

6.a) Wie begründet die Staatsregierung, dass beim Vertragsnaturschutzprogramm bei Streuobst Hochstämme mit 1,6 Metern als förderwürdig gelten, in der Biotopverordnung aber erst Hochstämme mit 1,8 Meter als gesetzlich geschütztes Biotop gewertet werden?
6.b) Welche zusätzliche ökologische Qualität bringen aus Sicht der Staatsregierung die 20 Zentimeter mehr Hochstamm?
Die Fragen 6.a) und 6.b) werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Die Verordnung zur Festlegung der Kriterien für geschützte Biotope ist noch nicht abschließend entschieden. Nach den Gütebestimmungen für Baumschulpflanzen liegt ein Hochstamm bei Streuobstbäumen ab 180 cm Stammhöhe vor. Der Standard der Baumschulen für einen Kronenansatz von mindestens 180 cm besteht seit 1995, zuvor lag er bei 160 – 180 cm. Nach den (bisherigen) Kartieranleitungen sowie der VNP-Förderung liegt ein Hochstamm ab 160 cm Stammhöhe vor, beim KULAP sind 140 cm Stammhöhe nötig. Im Hinblick auf den Vertrauensschutz gegenüber den Teilnehmern soll die Förderung im Vertragsnaturschutz ab einem Kronenansatz von 160 cm beibehalten werden. Die bayerische Staatsregierung setzt ungeachtet des gesetzlichen Schutzes weiter auf freiwillige Maßnahmen zum Erhalt von Streuobstbeständen. Vorbehaltlich der Zustimmung der EU-Kommission soll deshalb ab 2020 die Förderung im Vertragsnaturschutz von 8 € auf 12 € pro Streuobstbaum erhöht werden. Darüber hinaus sollen auch Streuobstbäume auf Weiden in die Förderung einbezogen werden.