Anfrage des Abgeordneten Hans Urban/BÜNDNIS 90, Die Grünen vom 08.08.2019:
Nachdem die Fragen in der Schriftliche Anfrage vom 04.06.2019 betreffend „Ein Jäger auf der Überholspur“ von der Staatsregierung zwischen unzureichend bis unmotiviert beantwortet wurden, wird nun mit konkreten Nachfragen zu einzelnen Punkten der Staatsregierung die Chance gegeben, die Anfrage doch noch zufriedenstellend zu beantworten. Denn die Fragen stellen sich immer noch, welche eigentumsfeindlichen Ideologien von Staatsminister Aiwanger eigentlich gemeint sind, die von einem Ärger zwischen Jagdpächter und und Jagdgenossen profitieren oder warum hier der Staat lachender Dritter sei. Auch noch nicht beantwortet wurde die Frage, inwiefern nach Staatsminister Aiwanger staatliche Stellen sich beim Thema Verbiss zu viel anmaßen. Oder wer nach Staatsminister Aiwanger unter einem dichten Fichtenbestand auf Knien herumrutscht, um eine verbissene Eiche oder Vogelbeere zu finden. Um eine Hilfestellung bei der Beantwortung der Fragen zu geben, werden die Originalzitate aus der Pirsch 8/2019 mit Staatsminister Aiwanger vorangestellt.
Ich frage die Staatsregierung:
„So habe ich z.B. vor, die Gams als Tourismusfaktor zu etablieren und nicht nur zum Knospenfresser abwerten zu lassen.“ (Originalzitat Aiwanger, Pirsch 08/2019)
1.a) Wer wertet nach Ansicht von Staatsminister Aiwanger die Gams als Knospenfresser ab?
Wildfeindliche Kreise, welche die Gams aus verschiedenen Regionen ganz verbannen wollen, weil sie in ihr nur Waldschädlinge sehen.
1.b) Lässt Staatsminister Aiwanger ein Programm zur Kitzrettung per technischer Geräte wie Drohnen auflegen, wie er im Interview anspricht?
Im Interview traf ich keine Aussage darüber, dass ich ein Programm zur Kitz-rettung auflege. Vielmehr sprach ich die technischen Aspekte für den ent-sprechenden Einsatz von Drohnen an, bei denen das Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie über verschiedene Möglichkeiten der Förderung, wie etwa im Bereich Forschung und Entwicklung, verfügt. Ich prüfe aber Fördermöglichkeiten ggf. auch in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien.
„Es bringt einfach nichts, unter einem zu dichten Fichtenbestand auf den Knien rutschend zu schauen, ob man eine verbissene Eiche oder Vogelbeere findet.“ (Originalzitat Aiwanger, Pirsch 08/2019)
2.a) Wer rutscht nach Ansicht von Staatsminister Aiwanger auf den Knien, um eine verbissene Pflanze zu finden?
Jemand, der dadurch bei der Verbissaufnahme die Pflanzen unter 20 cm Höhe besser erkennen kann.
2.b) Welche Rolle werden nach Ansicht von Staatsminister Aiwanger die Baumarten Eiche und Vogelbeere bei dem anstehenden Waldumbau spielen?
Die Vogelbeere wird eine untergeordnete Rolle, die Lichtbaumart Eiche eine wichtige Rolle spielen. Deshalb kritisiere ich den vielerorts zu dichten Fichtenbestand, welcher der Naturverjüngung die Chance nimmt, sich zu entwickeln. Wer sich dabei nur auf den Verbiss konzentriert ohne die nötigen Lichtverhältnisse durch Durchforstung herzustellen, kommt nicht zum Ziel. An solchen Standorten muss auch waldbaulich, nicht nur jagdlich, beraten und eingegriffen werden, um Naturverjüngung zu fördern.
3.a) Was ist genau geplant, wenn Staatsminister Aiwanger anspricht auch im Wirtschaftsministerium kann er einiges für die Jagd tun?
Die Fragen 3.a), 3.b) und 4.c) beantworte ich gemeinsam, da ich davon ausgehe, dass sie in unmittelbarem Sachzusammenhang stehen.
Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie hat eine umfassende wirtschaftspolitische Zuständigkeit für alle Bereiche der Industrie, des Gewerbes und Handels und damit auch für alle Gewerke, die sich mit der Jagd befassen oder darauf aufbauen, ebenso hat es die Zuständigkeit für die Tourismuspolitik.
Im Rahmen der Tourismuspolitik ist geplant, Wildtiere in ihrem natürlichen Lebensraum für Einheimische und Gäste besser erlebbar zu machen. Das Erleben von Wildtieren in freier Natur ist für Touristen eine besondere Attraktion und fügt sich sehr gut in das tourismuspolitische Leitbild der Bayerischen Staatsregierung „Tourismus im Einklang mit Mensch und Natur“ ein.
Mit seinem Bestand an Gämsen besitzt Bayern ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland, das auch aus touristischer Sicht noch besser vermarktet werden könnte. Deshalb habe ich die Errichtung von touristischen Beobachtungsstationen für Gämsen angeregt. Ziele wären insbesondere die Vermittlung von Informationen zur Wildtierart Gämse, die Besucherlenkung und Sensibilisierung zum richtigen Verhalten in der Natur, um Wildtiere möglichst wenig zu stören (z.B. Hunde anleinen) und die Aufklärung über die Notwendigkeit und sachgerechte Ausübung der Jagd. Gedacht ist an eine eher einfache Ausgestaltung mit Informationstafeln und Fernrohren, die an bereits vorhandenen Wanderwegen aufgestellt werden können, so dass die Tiere möglichst wenig bis gar nicht beeinträchtigt werden. Konkrete Standorte stehen noch nicht fest. Sobald geeignete Standorte gefunden sind, wird die konkrete Ausgestaltung der Gamsbeobachtungsstationen in enger Abstimmung mit den Betroffenen vor Ort (z.B. den Grundeigentümern, dem örtlichen Tourismusverband etc.) erarbeitet. Daneben ist mir insbesondere die bessere marktgerechte Aufbereitung und Vermarktung von Wildbred ein Anliegen. Im Hinblick auf Fördermaßnahmen stehe ich in engem Austausch mit Frau Staatsministerin Michaela Kaniber (StMELF). Zudem bin ich zuständig für das Handwerk und möchte eine Aus-bildung von Büchsenmachern auch in Bayern, was derzeit nicht erfolgt. Im Bereich der Landesentwicklung geht es um den Schutz von Freiflächen und damit von Wildlebensräumen. Energiepflanzen können wildfreundliche Wirkung entfalten, dies spreche ich bei vielen Veranstaltungen öffentlich an. Auch Freiflächen-Photovoltaik kann wildfreundlich gestaltet werden.
3.b) Welche Maßnahmen sind hierzu genau geplant? (Insbesondere sind zu nennen das Ziel, der Projektträger und der Kostenaufwand)
Siehe Antwort zu 3.a).
3.c) Welche konkreten Maßnahmen und Initiativen hat Staatsminister Aiwanger z.B. beim Thema Flächenfraß geplant?
Im Frühjahr 2019 habe ich eine Flächensparoffensive gestartet. Diese dient der Umsetzung des Koalitionsvertrags, in dem die Verankerung einer Richtgröße für den Flächenverbrauch von bayernweit 5 ha pro Tag im Bayerischen Landesplanungsgesetz (BayLplG) sowie flankierende Maßnahmen, mit denen diese Richtgröße erreicht werden kann, vereinbart wurden. Der sparsame Umgang mit Flächen soll dabei auch dem Erhalt der Natur mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt dienen und besitzt damit auch jagdpolitische Implikationen.
Der Ministerrat hat am 16. Juli 2019 das Verfahren zur Änderung des BayLplG eingeleitet sowie den weiteren Maßnahmen der Flächensparoffensive zugestimmt. Folgende weitere Maßnahmen sind vorgesehen bzw. wurden bereits umgesetzt oder mit der Umsetzung begonnen:
- Standardisierter Bedarfsnachweis für neue Siedlungsflächen
- Evaluierung und Änderung des Anbindegebots
- Fortschreibung des LEP
- Enge Auslegung der bestehenden Festlegungen des LEP i.S.d. Flä-chensparens
- Verbesserte Raumbeobachtung/Monitoring
- Modellvorhaben der Landesentwicklung
- Raumwissenschaftliches Netzwerk
- Stärkung der Regionalen Planungsverbände
- Flächensparmanager
- Regionalkonferenzen
- Fortschreibung der Regionalpläne
- Leerstandsmanagement
- Regionale Siedlungskonzepte
- Sonderförderung Flächensparen für Regionale Initiativen
- Veranstaltungen
- Fachkongress
- Best-Practice-Sammlung
- Öffentlichkeitskampagne
Die Flächensparoffensive ist dabei als offener Prozess angelegt, d.h. die Maßnahmen sollen nach Möglichkeit ergänzt werden. Hierzu findet ein lau-fender Austausch mit Verbänden und Gemeinden statt.
4.a) Ist unter den im Jagdrecht genannten Hegezielen auch der Tourismus explizit genannt?
Der Begriff Tourismus wird im jagdrechtlich definierten Hegeziel nicht explizit genannt. Mit der jagdrechtlichen Zielsetzung des artenreichen und gesunden Wildbestandes, der den landeskulturellen Verhältnissen angepasst ist, wird jedoch zum Ausdruck gebracht, dass Wild und Wald zusammengehören und dass Wild auch erlebbar für die Bevölkerung und damit auch für Touristen sein soll.
4.b) Sind damit von Staatsminister Aiwanger zu hohe Wildbestände gemeint, um Touristen Wildtiere vorführen zu können, wenn er vorhat, die Gams als Tourismusfaktor zu etablieren?
Ähnlich wie Führungen zu Vogelbeobachtungsstationen und zu Biberburgen stattfinden, soll auch Schalenwild beobachtbar sein. Ob überhöhte Bestände an Bibern oder Gämsen die Beobachtung erleichtern, kommt auf den Einzelfall an. Überhöhte Bestände strebe ich aber nicht an. Zu geringe Bestände allerdings erschweren tendenziell die Beobachtbarkeit von Tierarten.
4.c) Mit welchen Maßnahmen will Staatsminister Aiwanger die Gams als Tourismusfaktor etablieren?
Siehe Antwort zu 3. a).
5.a) An welchen Terminen hat der Wirtschaftsminister und/oder der Wirtschaftsstaatsekretär teilgenommen, die zu Themen des Artenschutzes oder der Jagd stattgefunden haben? (Unter Angabe des Datums, der übrigen Teilnehmer, des genauen Zwecks des Termins und des konkreten Grundes der Teilnahme des Ministers oder Staatssekretärs)
Die Termine, die ich in meiner Funktion als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident sowie Staatssekretär Weigert in seiner Funktion als Wirtschaftsstaatssekretär wahrgenommen haben, sind in nachfolgenden Tabellen aufgelistet:

„Wenn es dauernd Ärger gibt, kommt irgendwann als lachender Dritter der Staat oder eigentumsfeindliche Ideologien.“ (Originalzitat Aiwanger, Pirsch 08/2019)
6.a) Welche „eigentumsfeindlichen Ideologien“ meint Staatsminister Aiwanger mit seiner Aussage „Wenn es dauernd Ärger gibt, kommt irgendwann als lachender Dritter der Staat oder eigentumsfeindliche Ideologien.“?
Das an Grund und Boden gebundene Jagdrecht wurde von den Grundbesitzern 1848 gegen die Obrigkeit erkämpft. In vielen anderen Ländern bestimmen rein staatliche Stellen, wie die Bewirtschaftung der Wildbestände zu erfolgen hat, ohne Rücksicht auf die Interessen der Grundbesitzer. Dies hängt dann immer stark von den gerade herrschenden politischen Meinungen oder Ideologien ab. Es gibt auch in Bayern Kreise, die die Mitsprache der Grundbesitzer bei der Jagdausübung einschränken wollen.
6.b) Aus welchem Grund versteht Staatsminister Aiwanger den Staat als „lachende[n] Dritte[n]“ der bei Ärger zwischen Grundbesitzern und Jagdpächtern kommt?
Wenn Grundbesitzer und Jagdpächter nicht zusammenarbeiten und gegeneinander auftreten, werden staatliche Stellen und damit gerade vorherrschende Meinungen stärker herangezogen und gewinnen an Einfluss. So kommt es bei neuen Regierungskoalitionen in anderen Bundesländern zu regelmäßigen Änderungen des Jagdrechts mit weitreichenden Folgen. Als Beispiele können hier die Vollschonung für Beutegreifer und Fütterungsver-bote genannt werden.
6.c) Meint Staatsminister Aiwanger hier vielleicht, dass der Staat als „lachender Dritter“ Grundbesitzer und/oder Jagdpächter Schäden zuführt?
Wenn eine eigentumsfeindliche Regierung ans Ruder kommt, dann ja. Konkrete Beispiele aus Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung sind hier Bestrebungen zur Abschaffung des Schadenersatzes bei Wildschäden und Jagdeinschränkungen auf Raubwild, Krähen und Gänse, obwohl letztere Schäden in der Landwirtschaft anrichten.
7.a) Welchen Personenkreis meint Staatsminister Aiwanger mit dem Staat als „lachende[n] Dritte[n]“ konkret?
Sowohl politische Mandatsträger, die einen stärkeren Einfluss auf Themen bekommen, die weder im bayerischen Jagdrecht noch bei den Jagdgenossenschaften angesiedelt sind, als auch Behörden.
7.b) Welchen Ansatz verfolgt Staatsminister Aiwanger ganz konkret, wenn er meint: „Hier müssen wir mit einem ganzheitlichen Ansatz endlich den Ausweg aus dem Zwist zwischen Forst und Jagd finden.“? (Originalzitat Aiwanger, Pirsch 08/2019)
Indem der Einfluss sowohl von Verbiss als auch von Waldbewirtschaftung und Klima auf die Naturverjüngung angemessen bewertet werden.
„Diese Tendenzen sieht man auch in Bayern, wenn sich beim Thema Verbiss aus meiner Sicht staatliche Stellen oftmals zu viel anmaßen und das forstliche Gutachten eine Einigkeit zwischen Jagdgenosse und Jagdpächter zu überstimmen versucht.“ (Originalzitat Aiwanger, Pirsch 08/2019)
8.a) Warum ist es für Staatsminister Aiwanger eine Anmaßung, wenn staatliche Stellen mit den Ergebnissen des Fortslichen Gutachtens die Rechte der Grundbesitzer stärken wollen?
Es geht bei der „Anmaßung“ nicht, wie in der Frage fälschlicherweise dargestellt, um die Stärkung der Rechte der Grundbesitzer, sondern um die Fälle, wo sich Grundbesitzer und Jagdpächter über die Höhe des Wildbestandes und Abschusses einig sind, der Jagdbeirat dann aber trotzdem abweichende Abschussquoten gegen den Vorschlag der Grundbesitzer auf den Weg bringt.
8.b) Stimmt die Staatsregierung mit Staatsminister Aiwanger überein, dass sich staatliche Stellen beim Thema Verbiss oftmals zu viel anmaßen und, dass Forstliche Gutachten oft das Einvernehmen zwischen Jäger und Grundbesitzer zu überstimmen versuchen?
Teil der Koalitionsvereinbarungen ist es, das forstliche Gutachten weiterzu-entwickeln. Die Ermittlung des Weiterentwicklungsbedarfs steht noch aus.
8.c) Was meint Staatsminister Aiwanger konkret, wenn er behauptet: „Und vieles, was in der Verbisspolitik in Bayern in der Vergangenheit gelaufen ist, auch an Tendenzen gegen das Reviersystem, hätte man politisch eher den Grünen zugeordnet“? (Originalzitat Aiwanger, Pirsch 08/2019)
Beispielsweise das berüchtigte Theßenvitz-Papier, in dem das Ziel formuliert wurde, das gute Verhältnis zwischen Jägern und Grundbesitzern zu hintertreiben, wodurch das Jagdrecht und damit der Einfluss der Grundbesitzer geschwächt wird.
(Beitragsbild: J. Teichmann/Pixabay)