„Ein Jäger auf der Überholspur“ – Unter diesem Titel ist in der Ausgabe 8/2019 der Jagdzeitschrift „PIRSCH“ ein Interview mit dem bayerischen Wirtschaftsminister und niederbayerischen Jäger Hubert Aiwanger (Freie Wähler) erschienen. Interessant, was dort alles zu erfahren ist. Unter anderem kündigt Aiwanger darin an, dass er ab Mai wieder seine Böcke schießen wolle. Er meint zwar die im Wald, aber ich finde, dass ihm das auch mit diesem Interview schon ganz gut gelungen ist. Der Staatsminister kritisiert darin die bisherige Haltung der Staatsregierung zum Forstlichen Gutachten und der Schonzeitaufhebung. Das lässt schon aufhorchen. Ich habe den Minister beim Wort genommen und deshalb eine, nun ja, sehr direkte Anfrage gestellt, um mich über den neuerlichen jagdpolitischen Kurs von Aiwanger und damit auch der Staatsregierung (?) aufklären zu lassen.
Mit der Kompetenzverteilung innerhalb der Staatsregierung kann es nicht weit her sein, wenn plötzlich der Wirtschaftsminister in den Bereich der Landwirtschaftsministerin eingreift. Was das wohl zu sagen hat? Und was dazu wohl erst Ministerpräsident Markus Söder zu sagen hat? Nun, ich hoffe es zu erfahren.
Ein paar der schönsten Zitate aus dem Interview, auf das sich meine Anfrage bezieht, will ich Ihnen nicht vorenthalten.
Aiwanger: „So habe ich z.B. vor, die Gams als Tourismusfaktor zu etablieren und nicht nur zum Knospenfresser abwerten zu lassen.“ Da frage ich mich natürlich schon, ob die Staatsregierung die Gams denn bisher als reinen Knospenfresser abgewertet hat?
Aiwanger: „Es bringt einfach nichts, unter einem dichten Fichtenbestand auf den Knien rutschend zu schauen, ob man eine verbissene Eiche oder Vogelbeere findet.“ Machen das die Jäger*innen und Waldbäuerinnen und -bauern in Niederbayern so? Das habe ich bei uns in Oberbayern nun wirklich noch nicht erlebt, aber man lernt ja bekanntlich nie aus…
Und noch eine weitere Äußerung von Herrn Aiwanger finde ich bemerkenswert. Er wolle den Präsident des bayerischen Jagdverbands (BJV) Jürgen Vocke zwar „nicht vom Sockel stoßen“, eine echte Antwort auf ihre Frage nach Aiwangers eigener Kandidatur für den Posten bekommen die beiden Interviewer jedoch auch nicht… Ob der Ministerpräsident wohl einen BJV-Verbandspräsidenten an seinem Kabinettstisch dulden würde?
Nun, wir haben da einfach mal nachgefragt – und hoffen nun, dass wir in ein paar Wochen mehr wissen, wenn sich das Wirtschaftsministerium oder das Landwirtschaftsministerium oder vielleicht doch die Staatskanzlei (das mit den Zuständigkeiten ist ja nicht immer so einfach) unserer Anfrage angenommen hat…
Doch lesen Sie selbst. Die Antwort fiel recht wortkarg aus.
Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hans Urban BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 04.06.2019 + Antwort des Wirtschaftsministeriums vom 17.07.2019:
In der Ausgabe 8/2019 des Magazins PIRSCH erklärt Staatsminister Aiwangerin einem Interview, dass er es sich u.a. als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident herausnimmt, sich zu Themen der Jagd zu äußern. Unter anderem äußert er sich dabei zu jagdpolitischen
Themen wie das Forstliche Gutachten oder die Schonzeitaufhebung im Hochgebirge, wobei er stets die bisherige Haltung der Staatsregierung kritisiert.
Ich frage daher die Staatsregierung:
1.a) Wird es der Ministerpräsident hinnehmen, dass sich sein Stellvertreter zu Fragen der Jagd äußert, auch wenn dafür die Landwirtschaftsministerin zuständig ist?
Den Mitgliedern der Staatsregierung steht es selbstverständlich frei, sich zu
persönlichen Interessensgebieten zu äußern. Dadurch wird die fachliche
Ressortverantwortung nicht berührt.
2.a) Wertet die Staatsregierung die Gams bisher als reinen Knospenfresser ab, da Staatsminister Aiwanger im Interview erklärt, die Gams als Touristenattraktion zu etablieren und nicht mehr als Knospenfresser abwerten zu lassen?
Nein. Staatsminister Aiwanger hatte auch nicht – wie in der Frage unterstellt behauptet, dass die Staatsregierung die Gams als Knospenfresser abwerten würde.
2.b) Wenn nein, warum tätigt dann Staatsminister Aiwanger solche Aussagen?
Siehe 2a)
3.a) Stimmt die Staatsregierung mit Staatsminister Aiwanger überein, dass der Staat als lachender Dritte oder eigentumsfeindliche Ideologien vom Ärger zwischen Jagdgenossenschaft und Jäger profitieren?
Das an Grund und Boden gebundene Jagdrecht und Revierjagdsystem beruht auf dem guten Einvernehmen zwischen Jagdrechtsinhabern (Grundbesitzer) und Jagdausübungsberechtigten (Jagdpächter). Staatsminister Aiwanger hat nicht – wie vom Fragesteller unterstellt – behauptet, dass aktuell der Staat oder eigentumsfeindliche Ideologien vom Ärger zwischen Jagdgenossenschaft und Jäger profitieren, sondern er hat im Interview geäußert „Wenn es dauernd Ärger gibt, kommt irgendwann als lachender Dritter der Staat oder eigentumsfeindliche Ideologien.“
3.b) Stimmt die Staatsregierung mit Staatsminister Aiwanger überein, dass sich staatliche Stellen beim Thema Verbiss oftmals zu viel anmaßen und das Forstliche Gutachten oft das Einvernehmen zwischen Jäger und Grundbesitzer überstimmt?
Staatsminister Aiwanger hatte geäußert, dass „[…] das forstliche Gutachten
[…] zu überstimmen versucht“, nicht – wie vom Fragesteller behauptet „[…]
zu überstimmen“.
3.c) Beabsichtigt die Staatsregierung aufgrund dieser Aussagen das Bayerische Jagdgesetz zu ändern?
Nein. Im Koalitionsvertrag ist eine Weiterentwicklung des Vegetationsgutachtens vereinbart.
4.a) Hält die Staatsregierung das Forstliche Gutachten für Eigentumsfeindlich?
Nein.
4.b) Rutschen die Förster auf den Knien um eine verbissene Pflanze zu finden, wie das Staatsminister Aiwanger behauptet?
Staatsminister Aiwanger hat das Wort „Förster“ in diesem Zusammenhang
nicht benutzt, wie vom Fragesteller fälschlicherweise behauptet.
5.a) Hat die Staatsregierung Kenntnis darüber ob Staatsminister Aiwanger wie angekündigt im Rahmen der Schonzeitaufhebungsverordnung im Hochgebirge bei Begängen teilnehmen möchte,die nach seiner Meinung die Sinnhaftigkeit der Maßnahme belegen sollen?
Ja. Staatsminister Aiwanger will nach seinen Aussagen an Waldbegängen
teilnehmen.
5.b) In welcher Funktion nimmt Herr Aiwanger an diesen Begängen teil?
In seiner Funktion als stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister.
5.c) Hat die Staatsregierung Kenntnis darüber, ob Herr Aiwanger dabei seinen ministeriellen Dienstwagen nutzen wird, wenn er als Privatmann oder Fraktionsmitglied teilnehmen wird?
Siehe 5b.
6.a) Wird Ministerpräsident Söder einen BJV–Verbandspräsidenten an seinem Kabinettstisch dulden, da Staatsminister Aiwanger eine eigene Kandidatur zum BJV–Präsidenten offen gelassen hat?
Die Staatsregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen über die Besetzung von Verbandsämtern.
7.a) Welche Maßnahmen jagdbezogener Art führt das Staatsministerium für Wirtschaft derzeit durch, bzw. welche sind geplant?
Das Bayerische Wirtschaftsministerium agiert im Bereich „Maßnahmen jagdbezogener Art“ im Kontext von Maßnahmen zur Steigerung der Wertschöpfung im Tourismus/Handel (z. B. Stärkung der touristischen Bewerbung der intakten heimischen Tier- und Pflanzenwelt, Vermarktung von Wildbret) sowie der Technologieförderung (z. B. Vermeidung von Tierleid und Tierverlusten bei der Wiesenmahd) und der Landesentwicklung (z. B. Verringerung des Flächenverbrauchs).
7.b) Haben sich der Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident oder der Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums zu Themen des Artenschutzes oder der Jagd an das Umweltministerium, Landwirtschaftsministerium oder auch andere Ressorts gewandt und sich in deren Themen oder Aufgaben eingebracht bzw. eingesetzt?
Der Staatsminister Aiwanger und ich wenden uns im Rahmen unserer Funktion als Mitglieder der Staatsregierung und des bayerischen Landtags bei Anliegen von juristischen und natürlichen Personen an die zuständigen Fachressorts, sofern diese betroffen sind.
7.c) Wenn ja, welche?
Staatsminister Aiwanger und ich haben uns mit entsprechenden Anliegen an das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewandt.