Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hans Urban BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 30.12.2018 + Antwort des Umweltministeriums.
In der Süddeutschen Zeitung vom 18.12.2018 wird über eine wachsende Luchspopulation im Nationalpark Bayerischer Wald berichtet. Laut dem Bericht steigt seit Jahren die Zahl der Luchse im Bayerischen Wald, zuletzt wurden 29 Tiere gezählt – so viel wie noch nie. Danach sei die Zahl der Luchse, die in den beiden benachbarten Großschutzgebieten Nationalpark
Bayerischer Wald und Sumava umherstreift, seit 2015 deutlich angestiegen. Dies ist umso mehr erfreulich, da die Zahl der Luchse jahrelang stagnierte, da Luchse immer wieder von Kriminellen getötet wurden, nachdem sie das Schutzgebiet des Nationalparks verlassen hatten. Die Gegend um den Nationalpark wurde daher auch das „Bermuda-Dreieck für Luchse“genannt. In dem Artikel der Süddeutschen Zeitung wird weiter ein Zusammenhang hergestellt zwischen den steigenden Luchszahlen und einem zunehmenden Druck auf illegale Luchsjäger durch verbesserte Polizeiermittlungen.
Ich frage daher die Staatsregierung:
1.a) Wie hat sich die Luchspopulation in den letzten fünf Jahren in dem Dreiländereck Bayern – Tschechien – Österreich entwickelt?
Die erstmalige grenzüberschreitende und großräumige Erfassung der Luchs- population im Dreiländereck Bayern-Tschechien-Österreich erfolgte von Mitte 2013 bis Mitte 2015 im Rahmen des bilateralen Luchsprojekts TransLynx. Die damals ermittelten Daten ließen auf einen Bestand von 60 – 80 selbständigen Luchsen (halbwüchsige und erwachsene Luchse) schließen, zzgl. 20 – 25 Jungtiere. Aus den Jahren 2015/2016 und 2016/2017 liegen keine vergleich-baren Daten vor (keine grenzüberschreitende Erfassung). Vorläufige Ergebnisse aus dem Monitoringjahr 2017/2018, die im Rahmen des internationalen 3Lynx-Projekts ermittelt wurden, gehen von 110 selbständigen Luchsen im o. g. Gebiet aus.
1.b) Wie hat sich die Luchspopulation in den letzten fünf Jahren innerhalb des Nationalparks Bayerischer Wald entwickelt?
Die Tabelle (siehe PdF) zeigt die Entwicklung der subadulten und adulten Luchse, die im Rahmen des Fotofallenmonitorings in den Nationalparken Bayerischer Wald und Sumava erfasst wurden. Eine Aufteilung der Zahlen nach Nationalparken ist nicht möglich bzw. sinnvoll, da die Streifgebiete der Tiere weit über die Nationalparkgrenzen hinausgehen. Bei der Berechnung der Luchsdichte wird das weiträumige Bewegungs-verhalten der Tiere berücksichtigt. Ihr Wert hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt.
1.c) Wie hat sich die Luchspopulation in den letzten fünf Jahren außerhalb des Nationalparks Bayerischer Wald in dem besagten Dreiländereck entwickelt?
Grenzüberschreitende Daten (Dreiländereck) liegen aus den zu Frage 1.a) genannten Gründen nicht durchgehend vor. Daten aus Bayern deuten auf einen geringen Zuwachs der Luchspopulation hin. Dies ist vor allem an der Anzahl der reproduzie-renden Luchsweibchen/Luchsfamilien abzulesen:
Luchsjahr 2013: 5 nachgewiesene reproduzierende Weibchen
Luchsjahr 2014: 7 nachgewiesene reproduzierende Weibchen
Luchsjahr 2015: 4 nachgewiesene reproduzierende Weibchen
Luchsjahr 2016: 7 nachgewiesene reproduzierende Weibchen
Luchsjahr 2017: 9 nachgewiesene reproduzierende Weibchen.
Ein Luchsjahr ist stets der Zeitraum vom 01.05. eines Jahres bis zum 30.04. des folgenden Jahres.
2.a) Ab welchem Radius um den Nationalpark nimmt die Anwesenheit des Luchses signifikant ab?
2.b) Hat sich dieser Radius in den letzten fünf Jahren verändert?
Zu Fragen 2.a) und 2.b) sind keine Angaben möglich, da keine entsprechenden Berechnungen vorgenommen wurden.
2.c) Welche Einflussfaktoren bestimmen die Größe dieses Radius?
Generell wird die Ausbreitung der Luchse durch illegale Nachstellungen, die Fragmentierung der Landschaft und das Beutetierangebot (v. a. Rehwild) bestimmt. Dementsprechend verringert oder erweitert sich das Ausbreitungsgebiet. Fest steht, dass sich kein Luchs ausschließlich innerhalb der Grenzen des Nationalparks bewegt.
3.a) Gab es an diesen Einflussfaktoren in den letzten fünf Jahren Veränderungen?
Das Bayerische Landesamt für Umwelt geht von einer Abnahme illegaler Nachstellungen aus. Auch werden teilweise Verbesserungen beim Beutetierangebot aufgrund von landschaftlichen Veränderungen angenommen.
3.b) Wie hat sich die Anzahl der Hinweise auf illegale Luchstötungen in den letzten fünf Jahren pro Jahr verändert?
Im Zeitraum 01.01.2014 – 31.12.2018 wurden den Ermittlungsbehörden drei Fälle der illegalen Tötung von Luchsen mit insgesamt vier getöteten Tieren bekannt: drei Tiere im Jahr 2015 und ein Tier im Jahr 2017.
3.c) Gibt es Anzeichen auf sinkende illegale Luchstötungen innerhalb den letzten fünf Jahren?
4.a) Welche Anzeichen wären das?
Die Fragen 3.c) und 4. werden gemeinsam beantwortet.
Seit dem 05.09.2017 wurden keine Fälle mit Indizien, die auf eine illegale Tötung eines Luchses hinweisen, bekannt. Zudem besetzen residente (standortreue) Luchse ein Territorium über einen längeren Zeitraum als früher und es ist eine Zunahme der reproduzierenden Weibchen zu beobachten.
5.a) Sieht die Staatsregierung die gesteigerten polizeilichen Ermittlungen und Maßnahmen gegen illegale Luchstötungen als einen Grund für die wieder steigende Luchspopulation im Nationalpark Bayerischer Wald?
Über die Ursachen der positiven Entwicklung liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Für den Nationalpark wird angenommen, dass die Beutetierbestände in den vergangenen Jahren in etwa auf gleichem Niveau geblieben sind und Krankheiten nicht die Ursache für die niedrigen Populationsdichten zu Beginn des Monitorings waren. Die intensive Diskussion um die illegalen Tötungen der letzten Jahre und die intensive Arbeit der Bayerischen Polizei dürfte sich positiv ausgewirkt haben.
Nach Auffindung der Extremitäten von zwei Luchsen im Mai 2015 wurde durch die Bayerische Polizei ein umfangreiches Maßnahmenpaket umgesetzt. Zielrichtung war und ist die konsequente Bekämpfung der illegalen Tötung streng geschützter Tierarten. Das hierzu erstellte polizeiliche „Handlungskonzept zur polizeilichen Aufgabenwahrnehmung im Zusammenhang mit dem Luchs (VS-Nfd)“, die Teilnahme von Vertretern der Bayerischen Polizei an Podiumsdiskussionen, Symposien und Fortbildungsveranstaltungen, die Erstellung des Informationsflyers „Helfen – durch richtiges Verhalten“ sowie insbesondere der intensive Informationsaustausch zwischen dem „Netzwerk Große Beutegreifer“ und den Polizeibehörden sind wichtige Bausteine, die als Beitrag zur wieder steigenden Luchspopulation im Bayerischen Wald gesehen werden können.
5.b) Gibt es neue Erkenntnisse bei den noch laufenden Ermittlungen gegen illegale Luchstötungen?
Derzeit sind der Staatsregierung zwei bei bayerischen Staatsanwaltschaften anhängige Ermittlungsverfahren wegen Straftaten in Zusammenhang mit der Tötung von Luchsen bekannt.
In ersterem Fall, dem Fund von Extremitäten zweier Luchse im Trallinger Wald, 93462 Lam am 14.05.2015, sind die polizeilichen Ermittlungen der Polizeiinspektion Bad Kötzting vorerst abgeschlossen. Die Ermittlungsakten mit den zugehörigen Asservaten wurden an die ermittlungsführende Staatsanwaltschaft Regensburg übergeben. Eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen steht noch aus. Weitere Angaben hierzu sind derzeit nicht möglich.
Bezüglich des zweiten Falls ― Auffindung eines Luchs-Kadavers im Saalachsee, 83458 Schneizlreuth am 05.09.2017 ― haben sich aufgrund der durchgeführten Ermittlungen keine neuen Erkenntnisse ergeben. Der Ermittlungsvorgang wurde gegen Unbekannt an die Staatsanwaltschaft Traunstein abgegeben. Es fanden zuletzt abschließende Umfeldermittlungen statt. Ein Täter konnte bisher nicht ermittelt werden.
5.c) Wenn ja, wann werden diese veröffentlicht?
Soweit der Verfahrensgang es erlaubt, wird die Staatsanwaltschaft Regensburg zu dem unter Frage 5.b) genannten ersten Fall ihre Entscheidung der Öffentlichkeit mitteilen.
6.a) Wie hat sich die Anzahl der im Straßenverkehr (auch Eisenbahn) getöteten Luchse in den letzten fünf Jahren entwickelt?
2014: 1 Tier
2015: 0
2016: 2 Tiere
2017: 2 Tiere
2018: 6 Tiere
Summe: 11 Tiere
6.b) Ist eine eventuell ansteigende Anzahl von getöteten Luchsen im Straßenverkehr ein möglicher Weiser für eine ansteigende Luchspopulation im Bayerischen Wald?
Die Wahrscheinlichkeit, dass Luchse bei Straßenquerungen getötet werden, steigt grundsätzlich mit der Anzahl der Luchse und der Fahrzeuge.
7.a) Welche Möglichkeiten bedenkt die Staatsregierung zu ergreifen, um eine weitere erfolgreiche Verbreitung der Luchspopulation in das Nationalparkvorfeld zu ermöglichen?
Im Fokus der Artenschutzbemühungen steht unter anderem die dauerhafte Reduzierung illegaler Nachstellungen. Im Rahmen des 3Lynx-Projektes wird zudem eine internationale Schutzstrategie entwickelt, in der Elemente wie beispielsweise eine Entschneidung der Landschaft mit Querungshilfen an neuralgischen Punkten und weitere Maßnahmen grenzüberschreitend analysiert werden.
8.a) Sieht die Staatsregierung illegale Tötungen an Wildtieren wie Greifvögeln auch weiterhin als ungelöste Daueraufgabe an?
8.b) Welche Maßnahmen könnte die Staatsregierung treffen, um die illegalen Tötungen an Wildtieren zu verringern?
Die Fragen 8.a) und 8.b) werden gemeinsam beantwortet:
Die Staatsregierung sieht die Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der illegalen Tötung von Wildtieren als Daueraufgabe an, wie bei anderen Straftatbeständen auch. Zur Stärkung der staatlichen Schutzbemühungen wurde im Jahre 2016 die Gemeinsame Bekanntmachung zur Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Verstößen gegen die Umwelt vom 22.09.1988 überarbeitet. Diese Hinweise tragen zur Vermeidung illegaler Nachstellung geschützter Arten entscheidend bei. Von Seiten der Bayerischen Polizei wurde bereits ein umfassendes Maßnahmenpaket umgesetzt. Siehe Antwortbeitrag zu Frage 5.a).